HCGuth8-12: Technisches, Belebtes, wir als Mittel und Zweck

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HCGuth
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8-12: Technisches, Belebtes, wir als Mittel und Zweck

Beitrag von HCGuth »

8. Meine persönliche zentrale These habe ich bislang nicht ausgesprochen, tue es aber jetzt: Das moderne Projekt der Steigerung von Effektivität= technischem Können, und Effizienz= dasselbe mit immer geringerem Aufwand können, um Mittel freizusetzen für noch mehr Effektivität - dieses Projekt ist es, das uns gigantische Probleme bei seiner arbeitsteiligen Organisation bereitet, also bei der Koordination und Konsensfindung der riesigen Massen an Menschen, die weltweit daran teilnehmen. Kapitalistische Wirtschaft und Staat, die derzeit alternativlos erscheinenden Formen der Organisation gesellschaftsweiter Arbeitsteilung, scheitern an der zunehmenden Komplexität, Diversität, schon im je einzelstaatlichen Rahmen; wieviel mehr international. Dies Scheitern zeigt sich, so sage ich, unter anderem im Zurücknehmen früherer Ansprüche an das Niveau der Gemeinwohl-Dienlichkeit des Staats-Handelns; im Zuge dieser Zurücknahme wurde die ursprünglich bereits skeptisch eingeschätzte Sphäre der Markt-förmigen Organisation von Koordination und Konsensfindung wieder auf-, und die eigentlich bereits erreichte, grundsätzlich überlegene Form der Integration verschiedenster Ziele (und Zielkonflikte) auf der Ebene des (räte?)demokratischen Rechtsstaats abgewertet (vom Staatssozialismus, mit dem dies Abwerten eigentlich begann, über die Sozialdemokratie bis zum Neoliberalismus).
Meine These geht noch weiter, sie besagt: Der Kapitalismus wird immer drastischer seine Ineffizienz und Destruktivität zeigen; aber das wird nichts ändern. Die Fabrikdespotie und das Lohnabhängigen-Elend, die Klassengesellschaft und inkaufzunehmende, da gemeinwohl-dienliche Ungleichheit; die groteske Externalisierung von Kosten und der Regulierungsbedarf, als Forderungen der Marktteilnhemer an den Staat: All das ist ideologisch-neoliberal längst verarbeitet, notdürftig repariert, und in jedem Fall: inkaufzunehmen. Die letzte Bastion der Kapitalismus-Rechtfertigung, dass er, zusammen mit dem mehr oder weniger liberalen, parlamentarisch-demokratischen, sozialen Rechtsstaat, als einziges "System" imstand ist, die globale Riesenproduktion und ihren Fortschritt halbwegs im Konsens (oder wenigstens ohne sprengenden Dissens) zu koordinieren: Diese Legitimation mag demnächst auch noch fallen; das ändert nichts.

9. Denn der Kapitalismus speziell und das bürgerliche System als ganzes ist der Versuch einer Aufgabenlösung, die von Tag zu Tag schwerer zu erbringen ist; das System ist nicht die Belastung, das drückende Universalhindernis, das endlich beseitigt oder "abgeschafft" werden muss (wie seinerzeit die feudalen "Ständeschranken"; an diesem "Befreiungs"-Vorbild und revolutionären Übergang hat sich das Bild vom abzuschaffenden Kapitalismus ja orientiert) - Kapitalismus etc ist nicht abzuschaffen, weil er, statt hinderlich zu sein, vor allem Ausdruck des FEHLENS von etwas ist, das aufgebaut werden müsste. Dies Fehlende ist also keineswegs da, und wird nur an seiner Entfaltung gehindert. Was fehlt, ist: die Fähigkeit zum Lernen auf gesellschaftlicher Stufenleiter, zur zuverlässigen und schnellen kollektiven Verarbeitung von Wissen und Wissenswertem, das von irgendwoher die (dann) kollektive Aufmerksamkeit erregt. Leider wäre es mit der Ausbildung einer solchen Fähigkeit nicht getan; denn selbst sie könnte sich am explodierten Wissen der Moderne verschleissen und erschöpfen. Das Wissen muss unter Umständen den Anforderungen gemäss gemacht werden, unter denen es ÜBERHAUPT verarbeitet werden kann; was aber bedeuten würde, dass wir (wer?) auch das vorhandene Wissen noch einmal unter geteilten Geschtspunkten durchsuchen und auf seine Brauchbarkeit für geteilte Zwecke prüfen.

10. Das moderne Wissen lässt sich zunächst grob nach zwei Gesichtspunkten einteilen: einmal solches Wissen, das Techniken ermöglicht, Wirkaggregate, Geräte, Verfahren; alles Wissensinhalte, die sich, spätestens in diese Form gebracht, benutzen und auf diese Weise überprüfen lassen - womöglich beliebig oft wiederholbar. Die andere Form des Wissens ergibt Prognosefähigkeiten, man könnte, analog zu Technik, sagen: Prognostiken, das Wissen um An- und Vorzeichen, vor allem für Nutzbares oder Schädliches, wo es also lohnt, eine angezeigte Chance zu nutzen, oder ein Risiko zu meiden und sich darauf einzurichten. An- und Vorzeichen sind nun keine Hebel, mit denen wir das Angezeigte herbeiführen oder einschalten, unterbinden oder ausschalten könnten: Prognostiken beziehen sich meist auf Sachverhalte, über die wir keine (oder prekäre, viel zu aufwendig herzustellende) technische Kontrolle haben, und die wir darum nicht einfach mit einem Wirkversuch (zB Probe einer Substanz, die man mit einer Indikatorsubstanz reagieren lässt) überprüfen können darauf, ob sie bestehen, und so sind, wie behauptet. Der Grad der Unkontrollierbarkeit und Unberechenbarkeit des Prognostizierten selbst, vielleicht auch der Grad der Unbekanntheit mit ihm, nimmt entlang einer Reihe abnehmender Gewissheit zu, und schon damit zugleich die Unzuverlässigkeit des Zusammenhangs von An/Vorzeichen mit dem Angezeigten, bis hin dazu, dass der Zusammenhang sich reduziert auf ein zwar gehäuftes, aber keineswegs zuverlässige Zugleich-Auftreten, eine Korrelation.
Daneben gibt es eine zweite grosse Unterscheidung, und das ist die in belebte und/oder "system"-artige Entitäten einerseits, und unbelebte, ding- oder materialartige andererseits. Von beidem kann es technisches und prognostisches Wissen geben, aber mit einem Unterschied: Beim Versuch technischer Kontrolle ist die Eigengesetzlichkeit systemartiger oder biologischer Entitäten zu beachten, also Bedingungen für deren Stabil- und Selbsterhaltung, beim Versuch wiederum, An- und Vorzeichen für Prognosen ihres Verhaltens zu benutzen, die Anpassungs- und Lernfähigkeit biologischer Entitäten. Im Mass aber, wie technische Gebilde systemartigen und/oder lebenden ähnlich gemacht werden (Automation, Künstliche Intelligenz), nehmen sie somit tendenziell auch deren Beschränkungen hinsichtlich Kontrollierbarkeit und Berechenbarkeit an.

11. Man kann nun sagen, dass die modern-industrielle Produktionsweise es nicht bei der blossen Forschung, der Erarbeitung von Wissen-wie und Vorhersagen-dass, belasst, und es auch nicht einfach in Können, Kontroll- und Prognosefähigkeiten aller Art, übersetzt, sondern dies Können wird ja im Rahmen von Produktion und praktischer Gestaltung unseres Verhältnisses zu Welt und Umwelt eingesetzt. Die ganze Strecke von Wissenschaft über technologisches Erfinden und Entwickeln bis hin zur ständig umgewälzten Produktions(neu)einrichtung hat nun aber ferne Zielpunkte, auf die seit Beginn der Moderne unentwegt zugearbeitet wurde, man könnte sie grob umschreiben als: Naturalisierung von Technik, und Technisierung von Natur.
hierzu mehr: https://marx-forum.de/Forum/blog/index. ... alisierun/
"Natur" ist im simpelsten Fall natürlich die Summe aller Dinge, Materialien, und ihrer planetaren Verteilung, Ausdehnung, Verbreitung, zum andern die bleibenden und nur zyklisch, in bestimmten Grenzen (ab)wechselnden Zustände und Veränderungen, Flüsse, Strömungen, Klima-Verhältnisse, schliesslich die Biosphäre, also alles Belebte, und dann eben auch wir, als biologische Organismen, mit oder auch ohne unsere kulturellen Modifikationen gedacht.
In uns kommt ja in gewissem Sinn jede der beiden Bewegungen zu einem Maximum. Denn das für uns kontrollierbarste Mittel (Gerät, Instrument) überhaupt, das in all unseren Kontrollakten beteiligt ist, ist unser Körper, soweit er handlungsfähig ist. - Inbegriff technischer Kontrolle und von "Können" überhaupt ist ja, etwas uns so verfügbar zu machen wie unsere willlkürlich bewegbaren Körperglieder und Sinnesorgane (incl. das Steuern unserer Aufmerksamkeit, das willentliche Lösen von Porblemen usw). Zugleich aber sind wir nicht nur das maximal Kontrollierte, sondern eben auch das Kontrollierende selbst, die den Einsatz alles NUR Gekonnten allererst in planmässig geordnete (Versuchs)Handlungen Umsetzenden.

12. Diese doppelte Verfassung dessen, was wir sind:
wir als Quelle aller Zwecke, die dabei, dadurch sich selbst (wichtigster aller Zwecke!) als solche Quelle zu erhalten sucht; und:
wir als unser wichtigstes Mittel,
durchzieht nun aber alles, was wir (versuchen zu) tun, und wie wir entscheiden:
Wir als Mittel handhaben und kennen unsere Techniken, als unser zwar wichtigstes und allgemein unentbehrliches Mittel neben den andern, aber eben doch Mittel; zugleich sind wir aber Quelle aller Entwürfe für Pläne, Versuche, Forschungen und Entwicklungen, das Erhaltungswürdige schlechthin, die Entscheider, die in allem Entscheiden auch darauf achten, dass sie ihre Entscheidungsfähigkeit behalten, und überhaupt (möglichst mit dem erreichten Zwischenstand an Einsichten) erhalten, am Leben bleiben.
Dabei zeigt sich:
dass wir beim "Technisieren von Natur" (also dem Verwandeln von Dingen, Mineralien, Verteilungen, Systemen, Belebtem, zuletzt und vor allem auch uns selbst in brauchbare Mittel) über diesen Mittelcharakter nicht hinauskommen.
Hingegen beim Naturalisieren, Automatisieren, also System-, Belebtem- oder gar Personalem-Glleichmachen von Technik unterstellen wir im Maximalfall uns, als Entscheider; und in allen "minderen" Fällen, dass nämlich die Technik zumindest die Qualität von Belebtem, Sich-Selbst-Erhaltendem und stabilen Systemen haben soll, immerhin: dass sie dann AUCH Selbstzweck-haft sein muss.
Nun begrenzen Selbst-Erhaltungs-Bedingungen aber die Verwendbarkeit von etwas als "Mittel".
Wie also bringen wir beides zusammen - unter Beachtung dieser Grenzen?
Haben wir dafür einsehbare Regeln?
Speziell, wo es um uns selber geht?

13. ((ich wollte ursprünglich hier gleich fortsetzen; aber mache erstmal eine Zäsur, damit das Gesagte erstmal erwogen und betrachtet werden kann. Soviel kündige ich aber an: Es wird ab 13ff. um BEDÜRFNISSE gehen...))
Hans Christoph Guth


willi uebelherr
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Re: 8-12: Technisches, Belebtes, wir als Mittel und Zweck

Beitrag von willi uebelherr »

"Das moderne Projekt der Steigerung von Effektivität = technischem Können, und Effizienz = dasselbe mit immer geringerem Aufwand können, um Mittel freizusetzen für noch mehr Effektivität - dieses Projekt ist es, das uns gigantische Probleme bei seiner arbeitsteiligen Organisation bereitet, also bei der Koordination und Konsensfindung der riesigen Massen an Menschen, die weltweit daran teilnehmen."

Ja, lieber Hans ([mention]HCGuth[/mention]), das ist aus Punkt 8) und dein dramatischer irrtum. Schon die Formulierung am Ende "die weltweit daran teilnehmen" zeigt auf ein groteskes Missverstaendnis, weil sie nie gefragt wurden, sondern einfachst, mit Gewalt, direkt oder indirekt, eingebunden wurden.

"Das moderne Projekt" scheitert mitnichten an mangelnder Effektivitaet und Effizienz, weil du musst nur deinen Betrachtungspunkt etwas verschieben, um zu sehen, dass es in ihrem Sinne funktioniert. Nein, es scheitert an der prinzipiellen Unfaehigkeit und Unwillen, stabile materielle Lebensgrundlagen fuer Alle herzustellen. Und nur das ist ihr problem, das sie sich ja auch selbst eingebrockt haben, weil sie ueberall herum posaunen, sie waeren "fuer Alle" dazu in der lage.

Weil ihr Bedarf fuer ihre parasitaere und elitaere Lebensweise derartig viel ressourcen verbraucht und gebraucht, muessen sie nun ihre Propaganda "fuer Alle" auf "fuer Wenige" beschraenken, so wie es in der oesterreichischen Schule fuer Oekonomie schon immer galt. Das sehen wir heute auch im Corona-Panik-Theater.

zu 9) "Denn der Kapitalismus speziell und das bürgerliche System als ganzes ist der Versuch einer Aufgabenlösung, die von Tag zu Tag schwerer zu erbringen ist; das System ist nicht die Belastung, das drückende Universalhindernis, das endlich beseitigt oder "abgeschafft" werden muss .."

Du bringst hier 2 dinge zusammen, die aber nicht zusammen gehoeren. Sie werden nur zusammen gedacht.

Kapitalismus ist private Akkumulation realer und spekulativer Werte. Das fixe Kapital bezieht sich auf materielle Dinge und wird zentralisiert. Das variable Kapital bezieht sich auf spekulative Wertabstraktas, das notwendig ein privat organisiertes Geld- und Finanzsystem benoetigt, wo sie selbst die Regeln definieren koennen.

Vom Standpunkt eines rational und vernuenftig denkenden menschen ist diese Konstruktion sowieso absurd und laecherlich und kann deswegen nur mit staatlicher Gewalt aufrecht erhalten werden, wofuer dann im Vorfeld das staatliche Gewaltmonopol sorgen muss, damit sich die Betrogenen nicht selbst bewaffnen.

"Kapitalismus etc ist nicht abzuschaffen, weil er, statt hinderlich zu sein, vor allem Ausdruck des FEHLENS von etwas ist, das aufgebaut werden müsste ..".

Bist du dir eigentlich im klaren, was fuer einen Unsinn du hier schreibst? Der kapitalismus ist Ruck-Zuck weg, wenn wir unsere aufgewendete Zeit als Tauschabstraktum verwenden. Zeit hat jede Person und alle muessen sich beteiligen bei der Herstellung dessen, was sie zum Leben brauchen. Fuer die Werktaetigen aendert sich nur wenig, fuer die Parasiten Alles.

zu 10) solche Unterscheidungen und damit Teilungen sind voellig nutzlos.

zu 11) du verlierst dich hier in allgemeinem Geschwaetz.

zu 12) "Wir als Mittel handhaben und kennen unsere Techniken, als unser zwar wichtigstes und allgemein unentbehrliches Mittel neben den andern, aber eben doch Mittel; zugleich sind wir aber Quelle aller Entwürfe für Pläne, Versuche, Forschungen und Entwicklungen, das Erhaltungswürdige schlechthin, die Entscheider, die in allem Entscheiden auch darauf achten, dass sie ihre Entscheidungsfähigkeit behalten, und überhaupt (möglichst mit dem erreichten Zwischenstand an Einsichten) erhalten, am Leben bleiben."

Von welchem "Wir" sprichst du da eigentlich? Wen meinst du damit? Ich wurde nie gefragt, wie nun dieses oder jenes entschieden werden sollte. Also mich kannst du nicht meinen.

"Wie also bringen wir beides zusammen - unter Beachtung dieser Grenzen (Selbst-Erhaltungs-Bedingungen)?"

Ich sehe weder das eine noch das andere.


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HCGuth
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Ruck, Zuck, weg

Beitrag von HCGuth »

[mention]willi uebelherr[/mention]
willi!
1. Dein EWIGES Rumreiten auf dem Zwang. Der ist doch nur möglich, weil hinreichend viele sich dann doch nicht so gezwungen fühlen. Und... weil viel zu wenige sich darin einig sind (verglichen mit den dann-doch-eher-Befürwortern des Bestehenden), wie mans anders machen könnte. Schon wir zwei, willi, du und ich, sind nicht einig, abereiniger als die allermeisten; die allermeisten, die überhaupt was meinen. Denn: so viele haben noch nicht mal was, worin sie andern widersprechen könnten, geschweige denn mit Gründen. Und solang das so ist, sind halt die mit der relativen Mehrheits-Meinung (es sind immer weniger) im Vorteil.
2. Ein Freund des GERECHTEN (Arbeitsstunden)Tauschs bist du dann auch noch. Das Problem ist aber die Verwaltung der knappen Kapazitäten aller Art und der Weiterentwicklung des Produktionsmittelapparats (zB der Arbeitsproduktivität, die er repräsentiert...). Stabile Verhältnisse? Stell die mal her in einer rundum verwüsteten und verkorksten WELT. Wenn alle sich verabreden, sich, ausgestattet mit den NÖTIGEN Mitteln auf ihre Region zurückzuziehen, und ihnen dann nichts mehr aus ihrer Warte wesentliches fehlt, und ihnen kein Übergriff anderer droht - dann sind wir ja beinah fertig. Wenn DAS zur Regelung ansteht, willi, sind wir über das Gröbste hinaus. Die indigenen Gmeinschaften, die vielleicht mit ihren über- und ver-kommen patriarchalen und vormodern-gläubigen Lebensformen sich herumschlagen, mögen in DER Hinsicht HEUTE sogar einen entscheidenden Selektionsvorteil haben - VOR ORT. Hingegen wenns drum geht, erstmal weltweit aufzuräumen, sind sie nicht so gut aufgestellt.
3. Ich stelle neben deiner Frage (wie wollen wir leben?) noch eine zweite: Was KÖNNEN wir eigentlich, was MÜSSEN wir können... damit uns welche Handlungsweisen (falls wir sie wollen) gelingen? Du überliest ja gern, willi, worauf du keine Antwort weisst, du beantwortest es nicht. Aber Realität ist, was nicht weggeht, wenn man sich nicht dazu stellt. Der weltweite Verbund der handlungs- und kollektiv lernfähigen Zivilgesellschaften ist bereits darum schon nötig, damit die allgegenwärtige Kriegs-Disposition zum verschwinden gebracht wird (ich nenne sie bekanntlich: die imperiale Konkurrenz), auf beliebigem Eskalationsniveau. Genozide, das hat uns Ruanda gezeigt, können auch mit Haushaltsgeräten (wie zb Macheten) umgesetzt werden.
4. Nach allem, was ICH weiss, und das ist herzlich wenig, würde Einigkeit darüber, wie "wir" leben wollen, nichtmal im Ansatz ausreichen, um irgendetwas Vorwärtsweisendes zustandezubringen. Spätestens in den Industriegesellschaften kennen die in der Produktion Tätigen ihre eigene Branche nicht, geschweige denn die anderen; wir überblicken "unsere" Produktion nicht, geschweige denn ihre weltweiten Abhängigkeiten. Wir kennen die Schäden nicht, die angerichtet sind, WIR kennen sie nicht, einige vielleicht einige davon, aber nicht in ihrer Gesamtheit; wir kennen die Ansätze zur Reparatur nicht, wir kennen Risiken nicht, die unerledigt liegengebleiben sind - und wir wissen nicht, wieviel von unserer derzeit produktiven aber hoch-problematischen (schädlichen, räuberischen) Produktionsweise wir einsetzen müssen, um diesen Herausforderungen gerecht zu werden, und wieviel Um- und Abbau in weniger schädliche und räuberische Formen wir uns schon gestatten können: Um irgendwas sinnvoll wollen zu können, wissen wir zu wenig.
5. Mal abgesehen davon, dass wir nicht mal IM ANSATZ ein "wir" sind. Ausser... vermittelt über so windig-haltlose "Medien" und Vergesellschaftungsapparate wie Währungen und Märkte, kapitalistisch konkurrierende Betriebe, demokratische Rechtsstaaten, "Öffentlichkeiten", Erziehungssysteme - ein völlig haltloses Gewebe, das nicht mal seinen eigenen Status quo, diesen rasenden Stillstand, in dem wir angelangt sind, mehr halbwegs stabil verwalten kann (eine lumpige Nichtmal-Pandemie überfordert sie schon) - geschweige denn imstande wäre, die von ihm angerichteten Existenzprobleme anzugehen.
6. Und alles hängt mit allem zusammen; genau darum ist auch die Frage der STRATEGIE so wichtig: Was zuerst, um sich welche Freiräume zu schaffen, und über welche Zwischenstationen weiterzukommen? Der Weg muss bewältigbar sein; aber nicht durch Augen zumachen und Problem-Zusammenhänge ignorieren: Sei's, indem man sich einfach mal einer Initiative anschliesst, die ihr Ding verfolgt, alles andre sollen andre machen; sei's, indem man den Problemkatalog radikal zusammenkürzt - auf ein subjektiv hinreichendes Mass seiner Bewältigbarkeit, also so, wie du, willi, das machst. Nichtkönnen, nichtwissen gibts bei dir ja nicht. Ist alles eine Frage des richtigen WOLLENS. (Mal wieder Kant: Du KANNST, weil du SOLLST (oder willst wie gewünscht. Ja sicher. Schön wärs.)
7. Es wär schön, wenn du das mit dem fixen (konstanten?) und dem variablen (zirkulierenden?) Kapital mal gescheit erklären könntest, willi. Und die Frage, wie das mit den Arbeitszetteln in einer Umgebung noch länger klappen soll, wo's vor allem um die Verwendung knapper Produktionskapazitäten gehen muss, und das für - nach strategisch weltweit im Konsens abgestimmten Plänen - WECHSELNDE Aufgaben und Lebensbedingungen (und nicht einfach nur REGIONAL STABILE; vgl Punkt 2). Geld und Arbeitszettel - vergiss es. Damit lösen wir die Epochenprobleme nicht (mehr).
8. Noch was Nachgetragenes: Ob es in der Biosphäre (relevant für Anbau, Medizin, Umwelt...) "Gesetze" gibt? Dir als Techniker ist das wurscht. Mir nicht. Denn das hat viel mit der Frage zu tun, wie wir leben wollen/können, und das beginnt mit der Ernährungslehre, und der Frage, was wir dafür anbauen sollten... beim biologischen Anbau selbst (mE der einzige, der wirklich richtig stabil freie Arbeitszeit garantiert, ohne die Biosphäre, von der wir leben, zu ruinieren) gehts gleich weiter. Und bei den "thermischen" Schutzhüllen hörts nicht auf, also beim BAUEN (mit Holz? Lehm?), den Hilfsstoffen für Textilien (Faserpflanzen? oder doch Kunstfasern?), Behälter, Haushaltsgeräte, lokale Arbeitsmittel (zB Motoren? welcher Art? Metallberabeitung?); und weiter gehts mit Transport-, Heil- und Kommunkationsmitteln, Wissens-Speicher- und -Verwaltungsformen... Und immer dran denken: Das müssen "wir" alles herstellen können... regional? das meiste, ja...)
"Gesetze" der Biosphäre? "Ich sehe weder das eine noch das andre"? Dann lies vielleicht doch nochmal 10 (nutzlos) und 11 (Geschwätz) mit etwas mehr Verstand. Dann reden wir nochmal...
Hans Christoph Guth


willi uebelherr
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Re: 8-12: Technisches, Belebtes, wir als Mittel und Zweck

Beitrag von willi uebelherr »

Mein lieber Hans ([mention]HCGuth[/mention]),

immer fuehren deine argumentationen auf eine globale Abhaengigkeit in Lieferketten. Und immer endet dein denken bei der grossen Aufgabe, all diese globalen Abhaengigkeiten verwalten zu muessen. Ich frage mich, was treibt dich eigentlich dazu?

Ich habe dir diese frage schon mal gestellt und stelle sie wieder: In welchen notwendigen bereichen sind die menschen in der region Deutschland darauf angewiesen, sich in globale Produktiuonsnetze einzubinden? Welche globalen Lieferketten sind notwendig?

Ich kenne keinen einzigen bereich und warte nun auf deine Aufklaerung.

zu 2)
"Ein Freund des GERECHTEN (Arbeitsstunden)Tauschs bist du dann auch noch. Das Problem ist aber die Verwaltung der knappen Kapazitäten aller Art .."

Was anderes wie unsere Zeit bringen wir in die materiellen Herstellungsprozesse ein? Sag mir das doch mal. Oder willst du jetzt mit der notwendigen Vorbereitung ankommen, die jeder mensch benoetigt, um nur irgend etwas entstehen zu lassen?

zu 3)
Deine frage nach dem "KOENNEN" ist ja berechtigt. Nur, wie willst du sie beantworten? Und wo sind heute die Limitierungen?

zu 4-6) habe ich wirklich nichts beizutragen. Du kommst mir vor wie ein "spiessiger Schrebergaertner", der niemals ueber den Zaun schauen will.

zu 7)
"Und die Frage, wie das mit den Arbeitszetteln in einer Umgebung noch länger klappen soll, wo's vor allem um die Verwendung knapper Produktionskapazitäten gehen muss .."

Du wiederholst dich und drehst dich im kreise.

zu 8)
"Ob es in der Biosphäre (..) "Gesetze" gibt?"

Die frage stellt sich nicht, weil das jedem menschen klar ist. Die Gesetze der Natur gelten da. Was anderes gibt es sowieso nicht, was uns als Referenz gegenueber tritt.

Den hinweis zu "10 (nutzlos) und 11 (Geschwätz)" uebersehe ich jetzt einfach.

Im kern will ich von dir lesen/hoeren, welche realen Abhaengigkeiten uns zur globalen Unterwerfung unter die Dollar-Hegemonie zwingen. Weil mit der Schrott-Produktion der USA willst du ja wohl nicht herumfuchteln, oder?

Und komme mir jetzt bitte nicht mit Patent- und Lizenzrechten.


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die Welt-Zivilgesellschaft gestaltet die Transformation

Beitrag von HCGuth »

[mention]willi uebelherr[/mention]
zu 1) das mit den interkontinentalen Wertschöpfungsketten und/oder Lieferketten ist nur EIN Element der Ungleichverteilung von Produktionsoptionen über den gesamten Planeten; und solang das fortbesteht, ist Hilfe aus in der Hinsicht gut ausgestatteten Regionen für die ausgeplünderten und/oder schlecht ausgestatteten nötig. DARUM gehts mir. Die Hilfe ist Hilfe beim Reparieren und Robustmachen der natürlichen Umgebung ALLER Regionen, und solche zum Aufbau einer regionalen Wirtschaft, die einem weltweit gleichen Lebens- und Produktionsniveau entspricht (das Resultat muss gleichwertig sein, die Aufwände darum unterschiedlich; wobei, wenns mal ganz hart kommt, auch Umsiedlungen zu erwägen sind).
Und jetzt schau mal, willi: Ich entspreche hier mit meinem höchst abstrakten Sermon ziemlich genau deiner Forderung: ich sage, wie ich leben will, auf was für einem Planeten, unter weltweit wie gut versorgten Mitmenschen. Ein sehr abstraktes Ziel, nicht wahr? Ich sage dazu auch noch ein paar strategische Prioritäten, die so platt vernünftig sind, dass doch jedes Schulkind sie einsehen kann: Erst reparieren, dann Risiken ausschalten; industrielle Infrastrukturen, die einseitig aufgebaut sind, für beides nutzen, dann Ressourcen soweit möglich, vervielfachen, soweit nicht, gleich verteilen. Vor dem allen: Weltweit alle Gewaltmittel abschaffen, indem weltweit die Zivilgesellschaften*) anfangen die Regierung zu stellen. Die Regierung deswegen, weil nicht alle Bevölkerungsteile sich anfangs zivilgesellschaftlich engagieren und einbinden lassen wollen. Oberhalb der Staatsebene basiert aber alles auf Freiwilligkeit, auf dieser Ebene hingegen und unterhalb von ihr (solang es solche anderen Ebenen noch gibt: zB Privatwirtschaft und Leute, die das wollen) halt nicht. Da können du und ich uns noch so sehr die Haare raufen, dass es diese Typen noch gibt - der kollektiv lernfähige aka reif-zivilgesellschaftliche Bevölkerungsteil muss sich mit denen ja irgendwie ins Benehmen setzen. Darum: Weiterhin (ev räte-und zT direkt-)demokratischer Sozial- und Rechtsstaat.
Gegen Kriegsabschaffung hast du wahrscheinlich nichts, gegen Schadensreparatur, Risikominimierung und Gleichverteilung weltweit wahrcheinlich auch nichts. Wo genau ist mein Fehler?
*) die exakte materialistische Ableitung der Nichtüberwindbarkeit von imperialer Konkurrenz (aka Imperialismus) auf dem Niveau von (bürgerlicher) NationalSTAATlichkeit ist nachzuliefern

1a) Deutschland eine Region? Das kommt mir hoch gegriffen vor. Auch hier mal ein kinderleicht zu begreifendes, aber schwer umzusetzendes Prinzip: Subsidiarität. Lokal wird gemacht, was leicht und zwangfrei geht - zentralisiert-lokal (Landkreis)... regional... zentralisiert-regional (ca Regierungsbezirks-Ebene heute)...usw Wir haben somit flächenbezogene Autarkie-Niveaus (die Autarkie kann auch eine für den Notfall sein) - das ist übrigens dann eng verbunden mit dem Redundanz-Konzept (Regionalisieren ist somit ein andres Wort für Redundant-machen: die Regionalzentren halten Reserven vor nicht nur für ihre Region, sondern auch für die Nachbarregionen). Regionalisiert-dezentral und subsidiär-redundant wird uU alles sein, was mit Agrarproduktion zu tun hat. Umgekehrt kann man sich fragen, welche Hightech-Industrie-Produkte am besten, solang es sie noch geben soll, zentral, und wo, hergestellt werden sollen...

nochmal zu 2) Arbeitszeit. Wenn du schon die bürgerliche Korinthenkacker-Rechnerei hochhältst: Es kommt sehr drauf an, ob die Arbeit, wie Marx das ausdrückt, Teil der gesellschaftlich notwendigen (doppelter Sinn) Gesamtarbeit war; und DIE kennt nicht mal im entwickeltsten Kommunismus irgendjemand. MIT Der Arbeit muss sich dann, immer schön angemessen proprotioniert, allein schon das reproduzieren, was sie für ihre eigne und dessen Reproduktion braucht. Und was dabei an Nicht- oder Nicht-sofort-reproduzierbar-Knappem (knappe Produktionskapazitäen) verbraucht und gebraucht werden KANN... und was für sinnvolle Erweiterungs- und Fortschrittszwecke genutzt bzw über die aktuelle Rproduktion hinaus genutzt und verbraucht werden SOLL: Das müssen wir dann auch noch beschliessen. Dann nämlich, wenn wir nicht allem, woraufs ankommt, einen Preiszettel aufdrücken wollen, der dann entsprechende Kaufentscheidungen von Zahlungsfähigen und -willigen "stimuliert" oder auch angemessen (hoffentlich) "limitiert". MaW wir Reproduktion und Transformation nicht aufziehen wollen als Konkurrenz, und stattdessen die Produktion auf die nötigen Tranformationsschritte (vgl 1) ausrichten wollen. Was heisst, dass wir alles, was wesentlich dafür ist, politisch verwalten.

zu 3ff) Das war mein Argument: Die Zivilgesellschaft KANN die Produktionsmittel weltweit nicht für den nötigen Umstrukturierungsprozess (nichtmal für einen derart mickrigen Zweck wie: "gleiche Produktions- und Lebenschancen überall"; geschweige denn für den anstehenden radikalökologischen Umbau der industriellen Produktionsarchitektur) einsetzen, wenn sie keine Kenntnis davon hat. Und natürlich ist das, was ich da grade skizziere, ein zivilgesellschaftlich (!!) geführter Staatssozialismus - vielleicht nicht ganz, vielleicht bleibt es auch eine Mischwirtschaft; aber der Staat (als Verwaltungs- und, solang nötig, Hoheitsinstanz gegenüber den leider weiter untertänig gesonnenen Bevölkerungsteilen) behält sich demokratisch legitimierte Eingriffe, Steuerung (Staatskredit, Fiskalpolitik), Stimulierung, Investitionslenkung, Beaufsichtigung in einer Mischwirtschaft vor.
(Noch einmal kurz: Was ist der Bevölkerungsteil, der auf zvilgesellschaftlichem Niveau angelangt ist? Es ist der kollektiv lernfähige (mehr dazu unter Stichwort: "Zirkelorganisation" an anderer Stelle)... dass das nicht ganz wenige sind, ist allerdings Vorausetzung für das, was ich hier die ganze Zeit entfalte).

nochmal zu 5) Wir sind kein "wir": Die ironosch so zu nennende Partei des allerneuesten Typs, die Zivilgesellschaft, baut nich tnur ihre Binnen-Verständigung in einer Weise auf, die schnelle egalitär-kollektive Erarbeitung von Entscheidungen (Begriffe, Hypothesen, Strategien, Risikoeinschätzungen, Recherche-, Forschungs-und Experimentalprojekte) ermöglicht, sondern auch Strukturen zur (zwangfreien9 persönlichen Vermittlung. "Öffenltlichkeiten" als privat eund Staatsagenturen können dann immer noch, auf abgesenktem Niveau, mitberaten, auc hdie Zivilgesellschaft kann ja in die einschlägigen Institutionen hineinwirken oder selbst welche unterhalten. Was diesen, zivilgesellschaftlich geformten Gesellschaftskörper von den früheren, auch huete, unterschiedet, ist sein um Grössenordnungen sorgfältigeres Vorgehen beim Bilden von BEGRÜNDETEN Mehrheitsmeinungen. Und... eins darf man shcon mal vorausstzen: MIt Gewalt wird man da nicht vorgehen...

In EINEM Punkt, willi, kann ich dich wirklich beruhigen: Die internationale Wirtschaftsverflechtung, was den Transformationsprozess angeht, wird von der internationalen Zivilgesellschaft (bzw den formell von ihr gestellten Regierungs-Institutionen) völlig geldfrei verwaltet. Den Dollar gibts da sowieso nicht mehr. Zufrieden?
Hans Christoph Guth


willi uebelherr
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Re: 8-12: Technisches, Belebtes, wir als Mittel und Zweck

Beitrag von willi uebelherr »

Lieber Hans ([mention]HCGuth[/mention]), meinen dank fuer deine antwort. Ich beginne bei deinem ende.

"In EINEM Punkt, willi, kann ich dich wirklich beruhigen: Die internationale Wirtschaftsverflechtung, was den Transformationsprozess angeht, wird von der internationalen Zivilgesellschaft (bzw den formell von ihr gestellten Regierungs-Institutionen) völlig geldfrei verwaltet. Den Dollar gibts da sowieso nicht mehr. Zufrieden?"

Nein, nicht zufrieden, weil das, was du schreibst, mit der wirklichkeit nichts mehr zu tun hat. Das wesentliche daran ist, dass diese "Regierungs-Instanzen" vollstaendig und komplett parasitaer existieren. Und das sowohl in bezug auf ihre individuellen materiellen Lebensgrundlagen wie auch zu dem, womit sie agieren. Nichts davon ist ergebnis ihres tuns.

Von daher sind sie zwingend auf abstrakte Wertaequivalente angewiesen, das Geld, um ueberhaupt leben und agieren zu koennen, wie sie leben und agieren wollen. Wenn wir ihnen diesen zugang versperren, verhungern und verdursten sie. Damit sie so leben und agieren koennen, schaffen sie sich ihre Rechts- und Gewaltsysteme, um diesen zustand aufrecht zu erhalten.

zu 1) und 1a). Ich bin mit vielem einverstanden und gehe mit dir. Aber es gibt auch da kleine differenzen.

"(das Resultat muss gleichwertig sein, die Aufwände darum unterschiedlich;
wobei, wenns mal ganz hart kommt, auch Umsiedlungen zu erwägen sind).

Aus der tasache lokaler und regionaler besonderheiten wie Klima, Topografie und anderes geht nicht zwingend hervor, dass die Aufwaende fuer ein abstrakt gleiches resultat unterschiedlich sein muessen.
Und Umsiedlungen, wenn sie vorteilhaft sind, werden immer von den menschen lokal beschlossen. Und sie selbst suchen sich die Alternative in Abstimmung mit den Menschen, die dort leben.

".. anfangen die Regierung zu stellen. Die Regierung deswegen, weil nicht alle Bevölkerungsteile sich anfangs zivilgesellschaftlich engagieren und einbinden lassen wollen."

Ich weiss inzwischen, dass du grosse probleme hast, das Konstrukt Staat zu verstehen. Und immer wieder faellst du ueber deine von dir selbst geschaffenen stolperschwellen. Staatliche Konstrukte werden nur in elitaer strukturierten Herrschaftsformen benoetigt. Egalitaere, auf Gleichwertigkeit ruhende Gemeinschaften brauchen keine staatlichen Konstruktionen, weil sie auch keine Sklavenstrukturen schaffen, weil sie sie nicht brauchen. ich habe im Aufstehen-Forum den Text von Erich Muehsam "Die Befreiung der Gesellschaft vom Staat. Was ist kommunistischer Anarchismus? (1933)" verlinkt. Sollte ich wohl hier wieder machen.

Wir brauchen keine Regierung. Wir brauchen die demokratische Selbstorganisation der bevoelkerung fuer ihre oekonomischen Grundlagen, den materiellen Lebensgrundlagen fuer Alle. Alles andere entsteht nach wunsch und belieben.

zu 2)
Der Ausgangspunkt fuer mich ist, was bringen wir in die Oekonomie, dem Wirtschaften, ein? Es ist nur unsere Zeit. Die Substanzen, die wir formen, gibt uns die natur, anorganisch als auch organisch. In Bezug auf eine Quantifizierung koennen wir nur sagen, dass jedes Mitglied einer Gemeinschaft im Laufe ihres Lebens eine mindestens ausgeglichene Balance von Geben und Nehmen erreichen muss, wenn sie dazu gesundheitlich in der lage sind. Mehr geben geht immer.

Auch in kuerzeren Zeitraeumen werden wir so oder so darauf achten. Wegen unserer Gleichwertigkeit gilt dies natuerlich auch fuer unsere Taetigkeiten. Wir muessen nur darauf achten, uns nicht mit Unsinn zu beschaeftigen. Und es haengt auch von der spezifischen Taetigkeit ab, wie wir dies zeitlich organisieren. Wenn wir konstruktiv taetig sind, nuetzt es uns nicht, einmal in der woche uns an unsere aufgaben zu setzen, weil wir dann den inneren Zusammenhang verlieren. Wir arbeiten also dann zeitlich gerafft und erweitern die folgenden Freizeiten. Manchmal ist es auch gut, nach einem abschnitt eine pause einzulegen, um unser tun zu reflektieren. Bei Taetigkeiten, die keine spezifischen besonderen Vorbereitungen benoetigen, koennen wir flexibel agieren. Bei Taetigkeiten, die eine starke Verbindung zu den natuerlichen Zyklen enthalten, gelten sowieso diese als Referenz.

zu 3ff) und 5) Sobald du in die "politische Sphaere" abdriftest, geht es bei dir durcheinander. Da wird der alte Dreck mit dem Neuen bunt gemischt, auf dass das Alte wieder froehlich Auferstehung feiern kann. Zu 3ff) habe ich mich schon geaeussert. Wir brauchen keine staatlichen kostruktionen, weil wir keinen politischen Ueberbau brauchen. Und vor allem keinen statisch parasitaeren.

Schwieriger wird es mit dem Wir. Wenn wir unsere natuerlichen Existenzbedingungen zu grunde legen, waere es einfach. Das problem sind unsere Kopfgeburten, unser "freier Geist", der fuer jeden Unsinn zu haben ist.

" "Öffenltlichkeiten" als private und Staatsagenturen können dann immer noch, auf abgesenktem Niveau, mitberaten.." Privat und Staat sind keine "Oeffentlichkeiten", es sind beides "Privatheiten". Ich vermute, wegen deiner Anfuehrungszeichen, siehst du es genauso oder zumindest aehnlich.

"Was diesen, zivilgesellschaftlich geformten Gesellschaftskörper von den früheren, auch heute, unterschiedet, ist sein um Grössenordnungen sorgfältigeres Vorgehen beim Bilden von BEGRÜNDETEN Mehrheitsmeinungen."

Du tust gerade so, als wuerde es immer um Mehrheitsmeinungen von gesellschaftlichen Koerpern gehen. Es kommt dabei immer auf die Betroffenheit an. Wie die Menschen in Oberbayern ihre lokalen oekonomischen Grundlagen organisieren, ist den Menschen in Sued-Wuerttemberg oder der Pfalz oder Schleswig-Holstein relativ egal. Wichtig ist nur, dass sie es tun. Und ein Informations- und Erfahrungsaustausch ist immer moeglich, wenn wir ein funktionierendes Telekommunikationssytem haben. Und das dann global und planetar.

Auch die von dir vorgeschlagenen Zirkelstrukturen tragen zu diesem Austausch bei. Und mit Sicherheit werden sie sich thematisch orientieren und weniger geografisch, weil die Grundelemente unserer Lebensgrundlagen ebenfalls ueberall vorhanden sind und so sich der thematisch spezifische Austausch geradezu aufdraengt. Aus sich heraus.

Vorsichtig muessen wir sein, wenn es um die gestaltung unserer kollektiven Prozesse geht. Zu sehr wird sich hier das alte Denken wieder einschleichen in jeder nur moeglichen Gelegenheit. Zumindest, solange wir uns noch an unseren alten Erfahrungsmustern orientieren, die allzu schnell glorifiziert werden und neue Erfahrungsmomente erst im Entstehen sind.


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HCGuth
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wir sind nicht allein auf der Welt...

Beitrag von HCGuth »

zur Erwiderung auf 1 und 1a)

Nicht nur ist unser Ausgangspunkt eine verwüstete Welt-Natur und -Gesellschaft (und eine ganz andre das Ziel);
nicht nur eine in vielen Hinsichten extrem zentralisierte und zugleich ungleich verteilte Produktionsarchitektur weltweit, die einzig der Steigerung von Produktivität (Effektivität und effizienz) dient, beinah ohne Rücksicht auf irgendeinen anderen Zweck, und das mühsam genug, schlecht und recht organisiert als Akkumulation von Privatkapital unter staatlicher Aufsicht und Nachhilfe.
Nicht nur das.
Sondern unser Ausgangspunkt ist auch die Zerklüftetheit der (Welt)Bevölkerung - zerklüftet nicht nur entlang von Klassenschranken, sondern darüber hinaus entlang von Bildungsunterschieden, Bildungsgängen, Bildungsniveaus, Biografien, Subkulturen und Milieus, Persönlichkeiten..
mit Meinungs- und Überzeugungsunterschieden ohne Ende.
Es gibt da draussen Faschisten, Anhänger des neoliberalen Mainstreams, Rechtspopulisten, Fundamentalisten - in allen industrialisierten Territorien.
Und es gibt riesige Bevölerungsteile, die von ihrem Zusammenhang mit andern nichts wissen wollen oder können, und sich darum nicht mal ansatzweise kümmern.
Alle diese zusammen drücken (mit ihren zurückgebliebenen Vorstellungen von Vergesellschaftung; mit ihrer Passivität) der Gesamtgesellschaft ihren Stempel auf. Das macht nicht eine Gruppe allein.
Und natürlich wird der fortgeschrittene Bevölkerungsteil, neben all dem andern, dem er sich zu widmen hat, versuchen, den ihm je Nächststehenden in seiner Umgebung den Weg zu bahnen, um ihrerseits Teil der kollektiv Lernfähigen zu werden.
Während das versucht wird, soll und muss aber auch schon entschieden und (gesellschaftlich) koordiniert gehandelt werden - auf dem niedrigeren Niveau der Konsensbildung, das bürgerlich-demokratischen Gesellschaften (und ihren Varianten: russisch, chinesisch, iranisch, venezolanisch, kubanisch...) entspricht.
Darum ist das demokratische Procedere, uU seinem eigenen Geist entsprechend noch reformiert, beizubehalten, auch wenn der wachsende fortgeschritten "zivilgesellschaftliche" Bevölkerungsteil das für seine Binnen-Organisation nicht mehr braucht.

Die konsequente weltweite Entmilitarisierung (vorneweg: De-Nuklearisierung) ist das vordringlichste Ziel, wenn der reif-zivilgesellschaftlich verfasste (Welt)Bevölkerungsteil in Gestalt seiner (hoffentlich von den andern) gewählten Vertreter die Regierung (in möglichst vielen oder allen Nationalstaaten) übernimmt.
Was Produktionsarchitektur, Reparatur- und Risiko-Minimierungs-Massnahmen, später Reduzierung von Komplexität und Regionalisierung angeht, habe ich schon genug Andeutungen gemacht.
Aber der Punkt, der im Zusammenhang mit den verbliebenen grossen Minderheiten verschiedenster Couleur wichtig wird, ist dieser:
Wir müssen uU nicht nur mit zurückgebliebenden vorpolitischen und Staatsbürger-Standpunkten, sondern auch mit den von grossen Gruppen präferierten ökonomischen*) Vergesellschaftungsformen umgehen wie die sich aufklärenden frühneuzeitlichen Staatswesen mit der Pluralität an Konfessionen (daran erinnert manches). Eine kreative Rechtsordnung regelt nur noch Beziehungen zwischen Angehörigen verschiedener Rechtskreise, die für sich eine eigene Binnenorganisation definieren, die dann mit Staatshilfe gültige Rechtsnorm für alle wird, die diesem Rechtskreis angehören. Das bedeutet, dass die Angehörigen einer solchen Rechtsgemeinschaft sich auch ihre eigene Rechtsprechung aufbauen müssen und intern für deren Durchsetzung nach allgemein demokratischen und rechtsstaatlichen Pirnzipien sorgen müssen, und nur subsidiär von der übergreifend-gemeinsamen Regierung beaufsichtigt und unterstützt werden, die im wesentlichen nur noch den Verkehr ZWISCHEN den Gruppen reguliert, und die für den planetaren Umbau nötigen Produktionsapparate kontrolliert.
Wir können uns jedenfalls keinen Konflikt (einen weltweiten und bewaffneten womöglich) um das "gültige" Wirtschaftssystem leisten.

*) Das Wort lässt offen, ob eine ökonomische Doktrin einzig sich auf produktions-Gestaltung bezieht, oder dafür koordinierende, stimulierende, allozierende usw "Überbau"-Formen (markt/planwirtschaftlich) vorsieht; es hat keinen Sinn, seine eigenen Deutungen anderen in Gestalt von eigensinnig veränderten Sprachgebräuchen ("oekonomische Grundlagen= materiellen Lebensgrundlagen fuer Alle) aufzudrängen, wie du, willi, das tust: Kritik und Herstellen von Einsicht geht nicht als Verbal-Überrumüpelung. "Wir brauchen die demokratische Selbstorganisation der bevoelkerung". Gewiss. "Die bevoelkerung" als ganzes tut uns nur nicht den Gefallen und schenkt sie uns nicht so schnell, wie "wir" uns das wünschen.

Das Beste, was wir in der Transformationsphase hin zu halbwegs autarken und daher autonomen Regional-Ökonomien zustandebringen werden, ist also eine Misch-Wirtschaft aus Staatsbetrieben, staatlich (etwa über staatlich verwalteten Kredit) gesteuerte Sektoren aller Branchen, Genossenschaften (auszuweiten als Form der Selbstverwaltung derProduzenten), und fortbestehenden Privatbetrieben, die alle zusammen über die zivilgesellschaftlich gestaltete, demokratisch legitimierte Regierung beaufsichtigt und im Sinne der Transformation gelenkt werden

Die "reife Zivilgesellschaft", weist dabei nicht nur dies überlegene Vergesellschaftungs-Prinzip auf der "kollektiven Lernfähigkeit" (was das bedeutet, soll in den folgenden threads noch genauer dargelegt werden). Sondern sie stellt zugleich eine verglichen mit heute vervielfachte "politische Klasse" dar, die grundsätzlich "ehrenamtlich" tätig ist, und schon für sich genommen einem einzigen riesigen "think tank" gleichkommt, der den Behörden (obschon in engem Kontakt mit ihnen) die Verwaltung des je Schritt für Schritt abgewandelten status quo überlässt, aber sie von der Arbeit an der Planung dieser Schritte entlastet. Darüberhinaus ist dieser think tank auch noch komplett mit allen seinesgleichen weltweit vernetzt. Er ist offen und anschlussfähig für alle, die sich zur Mitarbeit in ihm entschliessen.
Tatsächlich ist er das, was die leninistischen kommunistischen Parteien immer sein wollten, aber wegen Fehlens der entscheidenden Merkmale niemals sein konnten. Sie waren nicht:
- kollektiv lernfähig, daher auch nicht
- strikt horizontal-egalitär und nicht-hierarchisch organisiert,
- ehrenamtlich (Freistellung durch sich selbst aufgrund selbst bestrittenem Lebensunterhalt/Berufstätigkeit: mithin Mitwirkung an irgendeiner Stelle der Produktion, die man zugleich verwalten hilft);
- breitflächig internatonal vernetzt.
((Das zentrale (und höchst erläuterungsbedüftige) Ausgangs-Merkmal der kollektiven Lernfähigkeit erklärt die anderen drei, als Konsequenz. Die Lebensform der zivilgesellschaftlich Vergesellschafteten dient zugleich als KEIMFORM und Vorbild für die Gesamtgesellschaft. Noch eine Differenz zur kommunistischen Partei...))

Die grundlegende Kontroverse, willi, zwischen dir und mir ist: Dass allem Anschein nach du es für möglich hältst, einen umständlich zu organisierenden Transformationsprozess komplett zu überspringen, und quasi durch blossen kollektiven Entschluss (wessen?) auf eine regionalisierte (aber wie weit reicht die Region? ist Deutschland eine solche?) egalitär, ohne "parasitaere Ueberbauten" (selbst)verwaltete Vergesellschaftung überzugehen. Über das technologische Niveau, das mit dieser Form seiner Organisation vereinbar sein soll, verlierst du kaum Worte, ausser dass es auf Telekommunikation weltweit angewiesen sein soll. Eine Entscheidung über Radikalökologie und/oder deren Alternativen (als hätte das keine Auswirkungen auf Koordination und Konsensfindung) lässt du offen, womit du einmal mehr - klassisch-anarchistisch - versuchst, die Arbeitshypothese der Marxisten zu ignorieren, die da lautet: Die Art der "Produktivkräfte" (überhaupt vorhandener Reichtum, Wissen, Tehnologie-Niveau, Produktivität, Produktions-Architektur) und die Richtung, die ihre Entwicklung nimmt oder nehmen soll, schränkt die Mölichkeiten in der Wahl der damit vereinbaren (oder sogar förderlichen) Gesellschaftsform stark ein. Also, willi: Ist das auch nur so ein Konstrukt von staatssozialistischen Funktionären? Oder ist da was dran?

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zur Erwiderung auf 2ff. neuer Beitrag
Hans Christoph Guth


Lotte
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Re: 8-12: Technisches, Belebtes, wir als Mittel und Zweck

Beitrag von Lotte »

Um Gottes Willen!



Aber diese stümperhafte Kleinstaaterei unter dem Deckmantel von "Kollektiv" ist ja haarsträubend. Appenzell lässt grüßen, samt dem Föderalismus und der Ursuppe der Horden. Höherentwicklung ist meines Erachtens immer in Richtung großer Gemeinsamkeit und Vernetzung statt egozentrischer Beschränktheit von Clans.

"Eine kreative Rechtsordnung regelt nur noch Beziehungen zwischen Angehörigen verschiedener Rechtskreise, die für sich eine eigene Binnenorganisation definieren, die dann mit Staatshilfe gültige Rechtsnorm für alle wird, die diesem Rechtskreis angehören. Das bedeutet, dass die Angehörigen einer solchen Rechtsgemeinschaft sich auch ihre eigene Rechtsprechung aufbauen müssen und intern für deren Durchsetzung nach allgemein demokratischen und rechtsstaatlichen Pirnzipien sorgen müssen, und nur subsidiär von der übergreifend-gemeinsamen Regierung beaufsichtigt und unterstützt werden, die im wesentlichen nur noch den Verkehr ZWISCHEN den Gruppen reguliert, und die für den planetaren Umbau nötigen Produktionsapparate kontrolliert."

Natürlich gehe ich davon aus, dass die beiden Diskutierer immer von den Guten sprechen, wenn sie die "reifen" Kollektive meinen. Das fleischgewordene Paradies.
Zuletzt geändert von Lotte am 29.06.2020, 15:55, insgesamt 4-mal geändert.


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HCGuth
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zu willis Antwort auf 2ff: Ökonomie, und reaktionäre Regressionen

Beitrag von HCGuth »

deine Erwiderung auf 2. "Ökonomie".
...was bringen wir in die Oekonomie, dem Wirtschaften, ein? Es ist nur unsere Zeit. Die Substanzen, die wir formen, gibt uns die natur, anorganisch als auch organisch.
Ein weit verbreiteter Irrtum, den man - bergündet mit Klassikerzitaten - gern auch bei Marxisten findet. Natur und Arbeit - mehr ist da nicht.
Doch. Mittlerweile und seit Einführung, sagen wir der Schwerindusrtie, ist da ein gigantischer PRODUKTIONSMITTELAPPARAT, der mit Arbeit und Natur, vor allem aber eben auch MIT SICH SELBST UND ARBEIT reproduziert wird. Und nicht, wie noch 1850, reproduziert sich DIE ARBEIT mit sich (naja, mal so abstrakt betrachtet; unter Verbrauch von Natur) mit sich, und dann auch all das andre (ua Maschinen wurden DAMALS noch in der Tat in hoch-qualifiezierter Hand(werker)arbeit hergestellt), und auch Rohstoffe (agrarisch, mineralisch) mit nicht-mechanischen Arbeitsmitteln (abgesehen von Bergwerkspumpen mit Dampfmaschinen-Antrieb) gefördert (aber bisweilen schon transportiert: Eisenbahnen ab 1830).
Das Kriterium der "Werthaltigkeit", wenn man denn mit der Tausch-Rechnerei unbedingt weitermachen möchte, ist: In welchen Quantitaten ein Gut gleich welcher Art in den Kreislauf der SICH MIT SICH UND ALLEN ANDERN IHRESGLEICHEN REPRODUDUZIERENDEN GÜTER eingeht.
Das reguliert erstmal die Basis-Tauschbeziehungen.
Jeder Produzient (Betrieb; Einzel-Warenproduzent) muss sich fragen: Kann ich meinen Produktionsakt reproduzieren? Bekomme ich pro abgegebene Einheit Produkt am Markt, was ich zur Erstellung der nächsten Einheit brauche (einschliesslich Wiederherstellung der Arbeitskraft aller Beteiligtenproduzenten)?
Und DAS sind die Tauschbeziehungen, die er realisieren muss.
Der Vergleich, den die Teilnehmer eines Tauschs JEDER FÜR SICH SELBST anstellen müssen, ist: ob der Erlös die Wiederholung des Produktionsprozesses (und damit Tuaschs) auf gleicher Stufenleiter erlaubt - ob mindestens die Produktions-Ingredienzien, die pro Einheit Produkt verbraucht werden, eintauschbar sind.
Das Produkt (Produktpaletten, genauer gesagt) eines jeden Produzenten (genauer gesagt, der Fluss Produkt-Einheiten pro Zeit) verteilt sich, und der Fluss verzweigt sich, entsprechend den Abnehmern: der Produktfluss verschwindet in DEREN (Re)Produktion; er fliesst, quasi verwandelt, eingeflossen in die Produkte der Abnehmer, weiter zu deren Abnehmern (die Überlegung von Marx zur Arbeit, verallgemeinert); und so weiter, immer weiter verzweigt, in Schleifen zurückgebunden usw. Das Produkt fliesst sich schliesslich in Teilen, verwandelt in Gestalt seiner Produktionsfaktoren, wieder zu (so wie die abstrakte Arbeit bei Marx in Gestalt der sie reproduzierenden Lebensmittel): DasProdukt hat SICH MIT SICH REPRODUZIERT - aber eben zugleich mitgeholfen, und war dabei unerlässlich, dass zahllose andere Produkte sich-mit-sich reproduzieren konnten - und ihrerseits mithalfen usw. Insgesamt haben ALLE Produkte sich-mit-einander-reproduziert - in einem permanenten Reproduktionskreislauf. Der die Eigenart hat, auch noch Überschüsse zu ermöglichen (zB auch indem er schneller oder langsamer läuft: das sind Überlegungen analog zu denen von Marx zum relativen und absoluten Mehrwert), die ihm entnommen werden können und für andere Zwecke als die Basisreproduktion verwendet werden können.

Dieser Reproduktionszirkel und seine Überschusskapazitäten (können hoch- oder runtergefahren werden; mit ihnen auch die Stufenleiter der Basis-Reproduktion; Entnahmen dürfen nicht zu gross werden, sonst wird die "Reproduktivität" des Basiszirkels beschädigt, und er fängt an zu schrumpfen) ist etwas, woran die Produzenten ihre Beiträge pro Zeit anpassen müssen, und dessen Verwaltung ihnen irgendwie gelingen muss; wenn es nicht marktförmig, also über KONKURRENZ, passieren soll - etwa der (indirekte) Zugriff auf produktive Produktionskapazitäten, die nicht aus dem Stand heraus beliebig vermehrbar sind (nur wieder "mit sich" als Quelle von Überschüssen). In der Marktwirtschaft konkurrieren zB Investoren um diese Überschüsse.
Wer Konkurrenz nicht will, muss politisch, kollektiv Produktionsmittel verwalten lernen. Nein, Arbeitszeit-Messung und die Verwaltung bzw Bewirtschaftung der Naturquellen von Reichtum (Rohmaterial, Energie) reicht bei weiterm nicht aus - obwohl die bereits komplex genug ist, um alle derzeit angebotenen Verwaltungsmodelle (ausser den illusionären, marktförmig-privatwirtschaftlichen) zu überfordern.
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Zu einem anderen "ökonomischen" Thema. Das Problem mit der Teilung von (Industrie)Arbeitsplätzen, die uns erlauben würde, im Schnitt nur noch wenige Stunden pro Woche zu arbeiten, ist, dass zur Verrichtung ausgiebig zu erwerbende Qualifikationen gehören. Eine fortgeschrittene Produktionsarchitektur würde die leichte Lernbarkeit von Arbeits- und Reprduktionsprozessen (bei gegebnen Grundkenntnissen) in die Auswahl und Entwicklung von Technologien, die tatsächlich genutzt werden, einbeziehen. Davon sind wir heute weit entfernt, denn heute gehts um die simple technische Holzhammermethode: das beste, grösste, schnellste, aufwendigst zu Bedienende und DARUM am Ende Stück-Kostengünstigste muss es sein. Wenn wir uns je mal langfristig einrichten könnten, wäre das alles schon anders planbar; aber auf unabsehbare Zeit werden wir mit massiven weltweiten Um- und Neu-Aufbau-Herausforderungen konfrontiert sein, die uns schnelle Anpassung aller möglichen Güter-Produktionen, Hoch- und Runterfahren von Stückzahlen, Übergang auf Reserveverfahren usw abverlangen. Uns - als Arbeitskräften. Qualifikation und ihre "Architektur" als Produktionsfaktor ist da ein zentraler Faktor, der um Grössenordnungen durchdachter gehandhabt werden muss als heute.
Von wegen: wir bringen "nur" unsere Zeit ein.
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zu willis Erwiderung auf 3ff.
Was willi so häufig thematisiert, die Gefahr des Sich-wieder-Einschleichens des Alten und Überwunden-Geglaubten, ist eine Kinderkrankheit der "umstürzenden" Transformations-Strategien, die ab dann chronisch wird: Die angebliche "Revolution", vor allem die kaum vorbereite, "spontane" der Massen, ist beinah immer Oberflächen-Kosmetik und -Therapie; die Tiefenstrukturen der Epoche, die überwunden werden soll, müssen verstanden sein, um überwunden zu werden. Und die Überwindung findet kaum je an den Stellen statt, wo ihre Notwendigkeit schmerzlich fühlbar wird - darauf zu reagieren ist eben bloss Symptombehandlung (noch dazu mit vorhandenen Heilmitteln, nicht neu erfundenen). Man darf davon ausgehen, dass epochal NEUE Problemlösungen - bei entsetzlichem Problemdruck! - drei Generationen dauern, bis von Pionieren erste, lebensfähige Kulturstränge einer neuen Epochen-Lebensform entwickelt sind. In dieser ganzen Zeit koexistieren die KEIMFORMEN des neuen mit dem Alten, meist einfach NEBEN ihm, bisweilen auch ihm förderlich, oder gar zuletzt unentbehrlich (da überlegen):
Da wird der alte Dreck mit dem Neuen bunt gemischt, auf dass das Alte wieder froehlich Auferstehung feiern kann.
"Auf dass..." und "froehlich"? Das nun nicht gerade. Aber "bunt gemischt" könnte schon sein. Die Kunst ist, dies In- und Nebeneinander strategisch zu STEUERN, und, anders als in der aktuellen Prähistorie, unsere Geschichte so viel wie möglich zu MACHEN, statt dass sie uns, und meist destruktiv, WIDERFÄHRT.
Hans Christoph Guth


willi uebelherr
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Re: 8-12: Technisches, Belebtes, wir als Mittel und Zweck

Beitrag von willi uebelherr »

[mention]Lotte[/mention], dein denkrum ist wirklich sehr beengt und mit hohen mauern umgeben.

Statt Appenzell kannst du auch Woergl 1932 nehmen. Gut, das ist dir nicht so gelaeufig. Und mit Silvio Gesell, aktivist der Muenchner Raete-Republik 1918, willst du wahrscheinlich auch nichts zu tun haben. Ich vermute, du hast dich mit deren philosophischen grundlagen nie beschaeftigt.

Und Erich Fromm? Oder E.F. (Erich Friedrich) Schumacher mit "small is beautiful"? Ne, fuer so pseudo-linke Goeren ist das nichts. Viel zu wenig Dogmatik. Viel zu wenig Staat. Viel zu wenig pyramidal und zentralisiert. Da fehlen dann die "wahren Eliten", die der "einfachen Bevoelkerung" sagen, wo es lang geht.

[mention]Lotte[/mention], ich empfehle dir Erich Muehsam, damit du etwas von deiner vergessenen Jugendlichkeit wieder zurueck gewinnst. Vielleicht sogar in deiner persoenlichen "Abfallgrube" wieder findest.

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