Zukunftautonome Subjekte oder gleichgeschaltete Massen

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willi uebelherr
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autonome Subjekte oder gleichgeschaltete Massen

Beitrag von willi uebelherr »

Liebe freunde,

in unseren Diskussionen im Debattenraum(.eu) und in einigen fb-Gruppen der "AufsteherInnen", die aber leider lieber schlafen, wird ein zentrales und bedingendes Element behandelt, ohne es explizit zu benennen. Sind wir fuer autonome Subjekte oder fuer gleichgeschaltete Massen?

Ich nehme diesen Anlass, um einiges grundsaetzliches anzusprechen. In den Grundlagen fuer den "Sozialismus des 21. jahrhunderts" finden wir 4 Elemente, die ich auf 3 reduziere.
1) Aequivalenz Oekonomie
2) basisdemokratische Selbstorganisation
3) autonome Subjekte

Gehen wir das mal kurz durch.

zu 1) Aequivalenz Oekonomie
Unser oekonomischer Unterbau, die Basis jeder gesellschaftlichen Organisation von Menschen, ruht auf einer fiktiven und spekulativen Wertabstraktion. Es sind die privaten Geld- und Finanzsysteme. Tatsaechlich aber existiert in der Oekonomie kein Geld, das wir nur im Distributionssystem, einem virtuellen Layer ober drueber, finden. Auf der Basis der Arbeitswerttheorie von David Ricardo hat Arno Peters aus Bremen, inzwischen leider verstorben, seinen Vorschlag einer objektiven Aequivalenz-Oekonomie entworfen.
In der Oekonomie finden wir nur 2 Saeulen: Die Substanzen der Natuer mit ihren inneren Gesetzen und unsere Zeit, die wir einbringen. Damit wird die Zeit zur Grundlage jedes Austauschprozesses, wenn wir ihn brauchen.

zu 2) basisdemokratische Selbstorganisation
Es geht hier um Volkssouveraenitaet. Wir koennen sagen, dass in jeder Region, egal wie klein oder gross, die Bevoelkerung grundsaetzlich und immer der politische Souveraen ist, der alles bestimmt. Souveraen heisst nicht autonom, es heisst nur, dass er, der Souveraen, die Entscheidungen treffen kann. Damit ist aber nicht gewaehrleistet, dass er sie auch realisieren kann.
Dieser Souveraen lebt nicht in einer Hauptstadt, sondern verteilt in Gemeinden. Damit werden die Gemeinden, die ja selbst eine Region darstellen, zu den konstituierenden Koerperschaften des politischen Souveraen in der groesseren Region, die von den Gemeinden verteilt gebildet wird. Und das heisst auch, dass es ausserhalb einer Gemeinde keine Instanz gibt, die zwingend in das Geschehen einer Gemeinde eingreifen kann. Regionen von Gemeinden sind somit freiwillige Kooperationen von Gemeinden.

zu 3) autonome Subjekte
Menschliche Gemeinschaften, wie alle Gemeinschaften, ruhen auf ihren Individuen, ihren Elementen. Starke Gemeinschaften entstehen aus starken Individuen. Aber wie entstehen starke Individuen? Nur aus starken Gemeinschaften. Wir sehen hier ein dialektisches Verhaeltnis von Individuen und Gemeinschaften. Starke Individuen koennen nur in starken Gemeinschaften entstehen und starke Gemeinschaften koennen nur aus starken individuen entstehen.
Formal betrachtet ist es, was kommt zuerst: Das Huhn oder das Ei. Dialektisch betrachtet entstehen beide aus ihrer taeglichen Interaktionen. Es ist also ein evolutionaerer Prozess entlang der taeglichen Anforderungen.

Nochmal kurz zu den -Ismen.

Grundsaetzlich sind dies philosophische Kategorien. Die Basis ist der Raum unseres Denkens, in dem auch unsere Wertesysteme enthalten sind. Wir nennen es unsere Ideologie.
Wenn fuer uns die soziale Gleichwertigkeit gilt, dann sind wir Sozialisten unabhaengig davon, ob wir uns so nennen.
Wenn wir die Gemeinschaften fuer wichtig erklaeren, dann sind wir Communisten, egal, wie wir zu diesem Begriff stehen.
Wenn wir die Freiheit von Herrschaft von Menschen ueber Menschen als wichtig erklaeren, dann sind wir Anarchisten, unabhaengig davon, was wir darueber denken.
Wenn wir unsere individuellen Interessen als wichtig erklaeren, dann sind wir Egoisten und folgen dem Egoismus.

Wir sind wieder in einer in einer Epoche, wo wir die Grundfrage beantworten muessen: Wie wollen wir leben? Wir haben diese epochale Herausforderung nicht selbst generiert, sondern sind als passive Akteure dort hinein gefuehrt worden. Es sind sytemische Prozesse aus den Gegebenheiten der bestehenden Systeme. Und trotzdem stellt sich wieder die frage an uns, wollen wir unsere Lebensweise selbst gestalten oder wollen wir wieder als bewusstloses Etwas in der Stampede mitrennen unabhaengig davon, wohin sie fuehrt und warum sie ploetzlich entstand. Wir koennen allerdings auch gelassen zur Seite treten und uns das Treiben von Aussen ansehen.

Hier weise ich auf einen Vorschlag von Buckminster Fuller hin, den er uns hinterlassen hat:
Wir bekaempfen nicht das Alte, sondern schaffen etwas Neues, was das Alte ueberfluessig macht.

Aber damit verschieben wir die Anforderungen auf uns selbst. Wir entziehen uns ganz bewusst jeder Delegation von Verantwortung, sondern tragen sie selbst.

Das ist wahrscheinlich der wesentlichste Bruch in der Geschichte der Menschheit, seit sie sich auf elitaere Strukturen eingelassen hat. Und es ist offen, ob wir diesmal die Gelegenheit ergreifen koennen, uns zu autonomen Subjekten durchzuringen, die rational sich sehr bewusst sind, dass sie nur auf und in starken Gemeinschaften existieren und agieren koennen.

mit lieben gruessen, willi
Asuncion, Paraguay

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