Zeitung "Der Aufstand"Der Aufstand 20/2020

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GesellschDerGleichen
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Der Aufstand 20/2020

Beitrag von GesellschDerGleichen »

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willi uebelherr
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Re: Der Aufstand 20/2020

Beitrag von willi uebelherr »

Aufstand 20/20 - einige fragen

Liebe freunde, das ist eine amail, die an Juergen, Martha und Holger sandte.

Lieber Juergen,

das las ich im letzten Aufstand 20/20 am Ende:
"Wenn Willi sich also über das „Topdown-Verhalten“ kleinbürgerlicher Organe und Organisationen beschwert, die ihn nicht zu Wort kommen lassen und die sich für seine Meinung gar nicht interessieren, so zeigt sich dahinter natürlich seine Naivität diesen gegenüber und der Glaube daran, das diese seine Probleme klären könnten.

Willi sollte sich neu orientieren und nach denen suchen, mit denen er sich wirklich auf Augenhöhe verbünden kann. Uns zu befreien können wir nur selbst tun."

Ich weiss jetzt nicht, ob mit diesem "Willi" ich gemeint bin. Wenn ja, bitte erklaere mir doch mal den Zusammenhang mit Fragen von Guenther Wassenau mit mir. Und dann auch, was ich mit dem "„Topdown-Verhalten“
kleinbürgerlicher Organe und Organisationen" aus deiner Sicht zu tun habe. Ich hatte und habe natuerlich viel mit derartigem zu tun.

Der Aufstand 20/20 war wieder wirklich gut.

mit lieben gruessen, willi
Asuncion, Paraguay


willi uebelherr
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Re: Der Aufstand 20/2020

Beitrag von willi uebelherr »

Liebe freunde, hier nun die antwort von Juergen Hackbarth.


Betreff: Re: Aufstand 20/20 - einige fragen
Datum: Sat, 23 May 2020 15:09:07 +0200
Von: Jürgen Michael Hackbarth <..>
An: willi uebelherr <willi.uebelherr@gmx.de>

Hallo Willi, heute komme ich endlich einmal dazu dir zu antworten.

Günther Wassenaar hatte sich über deinen Beitrag erst mündlich bei uns
beschwert und versucht uns dazu zu bewegen, deine Beiträge zu eleminieren,
wenn sie seine "Freunde" kritisieren.

Dies weisen wir natürlich grundlegend zurück und haben ihn natürlich darauf
verwiesen, dass er deinen Artikeln natürlich in der Zeitung entgegentreten
kann.

Das hat er dann wahrgenommen, weil wir nicht auf sein Verlangen eingegangen
sind. Aber er hat dann natürlich viel mehr die Redaktion angegriffen, als
dich und uns mit Fragen herausgefordert.

Ich habe in der Antwort dann leicht angedeutet, dass deine Position und
unsere nicht identisch sind.

Immerhin krazt uns das Verhalten der von dir kritisierten überhaupt nicht
und das aus gutem Grund, wir wissen das sie zu einer anderen Klasse
gehören, kennen sie zum Teil persönlich und wissen, das wir auf völlig
verschiedenen Ebenen agieren und teilweise auch andere Ziele verfolgen. Sie
würden niemals unsere Arbeit machen und wir nicht ihre. Zwischen uns
herscht also maximal Waffenstillstand und gelegendliche Berührungen in der
Öffentlichkeit und aus diesem Grunde versuchen wir auch gar nicht von ihnen
als gleichwertige Partner akzeptiert zu werden, weil sie ihre Nummer bei
uns auch nicht durchziehen könnten.

Was dich betrifft Willi, so würden wir uns freuen, wenn du dort in deiner
Umgebung ein ähnliches Projekt starten könntest, mit dem wir dann zusammen
arbeiten könnten. Dazu sind deine Sprachkapazitäten sicher von nutzen. Wir
wissen natürlich nicht, welche Möglichkeiten und Fähigkeiten hast, aber
würden dich bei so etwas gern unterstützen.

Also Willi wie wärs mit einem eigenen Sprachrohr? Wir verschwenden unsere
Zeit jedenfalls nicht damit, den von dir kritisierten hinterher zu laufen
und warten, bis sie an unsere Türen klopfen. Wenn das nicht passiert,
interessiert es uns aber auch nicht und wir sind nicht dafür verantwort
wenn sie scheitern.

Ich grüße dich ganz herzlich, Jürgen Michael!


willi uebelherr
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Re: Der Aufstand 20/2020

Beitrag von willi uebelherr »

Liebe freunde, nun meine antwort an Juergen.

Betreff: Re: Aufstand 20/20 - einige fragen
Datum: Sat, 23 May 2020 14:35:36 -0400
Von: willi uebelherr <willi.uebelherr@gmx.de>
An: Juergen M. Hackbarth <..>
Kopie (CC): Martha <..>, Holger Thurow-Nasinsoi <..>, Franz Nahrada <..>, Carolus Wimmer <..>

Lieber Juergen,

ich danke dir sehr fuer deine antwort, war aber etwas enttaeuscht, dass du die namen oder kennzeichnungen der "Freunde von Guenther Wassenar" nicht nennst, die ich so sehr kritisiert habe.

Der konflikt mit Guenther ist so alt wie seine mitgliedschaft im "Aufstehen-Forum". Dort nahm ich die herausforderung mit ihm direkt an. Der anfang war, als er von "seinen Arbeitern" sprach, als er noch Betriebsfunktionaer in der DDR war. Da ging bei mir sofort die Alarmglocke an.

Guenther Wassenar ist extrem autoritaer und buerokratisch orientiert und sein klassenverstaendnis hoert beim Staat und der Partei auf, wenn sie sich als die Avantgard "des Proletariats" verstehen. Egal jetzt, wie autoritaer oder faschistoid sie wirken.

Auch im Aufstand sollten wir nicht verdeckt arbeiten, sondern immer offen das bezeichnen, von dem wir reden//schreiben.

Aber dein text zeigt ja auf etwas viel wichtigeres. Dazu will ich kurz erklaeren. Zu Beginn 2011 verliess ich die region Deutschland und zog nach Venezuela mit einem kleinen Rucksack und einer kleinen reisetasche. Mahr hatte ich nicht mehr, weil ich es nicht brauche.

Venezuela wegen der Bewegung der Comunas. Ich bin Anarchist, Kommunist, Sozialist, Marxist, Kantianer und vieles mehr. Allerdings mit dem grossen unterschied, dass ich diese begriffe ganz anders definiere. Und trotzdem nenne ich mich als solcher.

Hugo Chavez hat sich den konzepten der Anarchisten sehr zugewandt und hat die schaffung von kommunalen selbstorganisierten strukturen unterstuetzt, sofern sie als solches auch entstanden. Was aber leider nur wenigst stattfand. In Merida im Westen von Venezuela gab es das erste zentrum fuer freie Technologie CENDITEL. Da war ich dann spaeter ab 2012.

Mein hauptthema "freie technologie" war zunaechst auf die Infocentros bezogen. Lokale zentren fuer geldfreien zugang zu Rechner mit Internet, Drucker, Scanner, Beamer und so weiter. Manchmal auch mit kleiner Bibliothek. Immer ein treffpunkt fuer die aktivsten zur demokratischen Selbstorganisation.

Das problem dabei waren die buerokratischen und wirklich korrupten staatlichen instanzen, ueber die die parteifunktionaere wirkten. Mit denen kam ich natuerlich sofort in massiven konflikt, weil im grunde sie nur ihren Egoismen folgten. Das hat sich dann verbreitet in ganz Venezuela und in ganz ALBA, weil ich dann auf betreiben der Kubaner zum CIA-Agent erklaert wurde. Das war die zwangslaeufige reaktion auf meine bedingungslose unterstuetzung der kommunalen selbstorganisation ohne Privat und ohne Staat. Spaetestens an dieser Stelle schrillten fuer die autoritaeren und buerokratischen Funktionaere in Staat und Partei die Alarmglocken.

Auf der konzeptionellen und technischen Ebene konnten sie nichts ausrichten. Es ging fuer sie nur so, dass sie mich zum Staatsfeind erklaerten, um moeglichst viele auf der formalen Ebene zu erreichen. Immer, wenn ich irgendwo auftauchte, entstand Panik bei den organisatoren irgendwelcher Veranstaltungen und Treffen. In den Staedten und staedtischen zentren. Ausserhalb dessen hatten sie keinen zugang.

Mit dem Tod von Hugo Chavez sah ich, dass nun das ganze reaktionaere Pack wieder offen agierten und ich verliess Venezuela, um mich in ganz Latein Amerika umzusehen. Ich war ausser Uruguay in allen Laendern.

Mein hauptinteresse waren die ALBA-Staaten Venezuela, Nicaragua, Ecuador und Bolivien. Und natuerlich Chiapas, Sued Mexico, mit den Zapatisten. Und generell sage ich, dass in ganz Latein Amerika das Geschwaetz gross ist, fundamentale Vorbereitung zur demokratischen Selbstorganisation nicht existiert. Nur in Venezuela gab es einen kurzen Anfang, einen kurzen Aufbruch.

Andre Gunder Frank, als kind mit seinen Eltern aus Oesterreich anfang der 30er jahre in die USA emigiriert, in Chicago studiert, auch bei den Chicago Boys, war etwa 10 jahre in Latein Amerika unterwegs und kam in den 60er jahren zu dem ergebnis:
Latein Amerika, die Entwicklung der Unterentwicklung.

Eduardo Galeano aus Uruguay sah es ja aehnlich. Und ich habe es selbst direkt erlebt. Deswegen auch meine grosse enttaeuschung ueber die Zapatisten in Chiapas/Mexico, weil ausser Geschwaetz und Extraktivismus dort nicht viel existiert. So kam es zu meinem Text im deutsch-sprachigen raum:
Zapatismus, eine riesige Luegengeschichte.

Gut, inzwischen bin ich in Paraguay gelandet. Eigentlich ist es fast schon egal, wo ich lebe. Als Rentner mit 1100 Euro (nach fast 40 jaehriger versicherungspflichtiger Taetigkeit) komme ich gut hier klar, weil ich keine Luxusbeduerfnisse habe.

Urspruenglich wollte ich nach Paraguay Latein Amerika verlassen und mich auf den Weg nach Nord Afrika oder Suedwest Asien machen. Alternativ Sued Indien oder Ozeanien. Inzwischen bin ich der meinung, dass meine haende noch zu leer sind, um dort wieder anzufangen.

Mir geht es primaer um den Aubau eines globalen netzwerks fuer freie technologie, das den menschen lokal hilft, ihre lokalen unabhengigen Oekonomien zu entwickeln, um damit auch politisch unabhaengig zu werden.

Du und ihr seht sofort, dass ich die oekonomie immer an die erste stelle setze und nie die Politik. Aber davor stehen unsere philosophischen grundlagen, die unsere oekonomischen anstrengungen orientieren. Das politische ist dann nur die folge, wie wir unsere gemeinschaften organisieren.

Wichtig dabei ist, dass es fuer mich in der oekonomie kein Geld gibt, sondern dies nur im virtuellen Distributionssytem existiert, auf das wir immer verzichten koennen. In der diskussion mit Peter Seyferth habe ich wieder darauf hingewiesen.

"Also Willi wie wärs mit einem eigenen Sprachrohr?" hast du, Juergen, gefragt? ich agiere im Aufstehen Umfeld im deutsch-sprachigen raum natuerlich ganz anders wie hier in Latein Amerika.

Mein Schwerpunkt fuer freie technologie im globalen netzwerk sind die Themen Telekommunikation und Wasser. Und selbstverstaendlich finden da grossraeumige Diskurse im englischen, spanischen und portugiesischen statt, auch wenn ich diese sprachen nicht fliessend spreche. Und ich habe mich schon in Venezuela entschieden, erst dann mit plattformen im "Internet" zu beginnen, wenn wir die Server-Strukturen selbst organisieren. Bis dahin bleibt nur das mitwirken in anderen Umgebungen.

Aber gleichzeitig draengt es immer mehr. Als ich in Venezula begann, ueber die Konstruktionsbedingungen eines Internet zu sprechen, weil das heute nicht existiert, stiess ich immer ins Leere. Ich vermute, dass dies in der region Deutschland aehnlich ist. Der begriff Internet bezieht sich heute auf ein InterStar-System und hat mit einem Internet absolut nichts zu tun. Eigentlich wissen das alle, die sich damit beschaeftigen. Sei es FreiFunk in Deutschland, Guifi.net in Spanien und die vielen anderen, die sich "Community Networks" nennen bis hin zu ISOC (Internet Society) oder IGF (Internet Governance Forum).

Deswegen bin ich jetzt dabei, hier in Paraguay mit einem regionalen Zentrum fuer freie technologie zu beginnen, indem ich mir ein Gelaende ausserhalb des Speckguertels von Asuncion suche, wo wir dann auch unsere Ernaehrungssouveraenitaet realisieren koennen.

Ich erinnere mich immer wieder an meinen freund in Quito/Ecuador, der mir sagte:
"Willi, deine Ideen und Vorschlaege sind alle grossartig. Aber wir sind LatinAs. Wir koennen nicht aus Ideen beginnen, Wir brauchen etwas zum Anfassen."

Das gleiche erlebte ich danach in der globalen Mailliste von ISOC, als Bill Smith, damalig Ineternet-Evangelist bei PayPal, nach einer extrem hitzigen und langen debatte schrieb:
"Willkommen im Kreis der Haeretiker. Wir wuenschen uns, dass es dir gelingt zu zeigen, dass deine Konstruktionsvorschlaege fuer ein Internet funktionieren."

Dabei ging es auch um das von mir genannte Internet-protokoll IPv8 mit geolokaler Adressierung der lokalen netzwerke in den gemeinden und einem DNS-System mit regionalen Root-Servern und exclusiv den ccTLDs (country codes Top Level Domain). Vielleicht dann rcTLD genannt, regional coded TLD.

Juergen, du siehst, meine orientierung ist etwas anders. Deswegen ist der diskurs mit Peter Seyferth und zum Anarchismus so wichtig. Ich kann nur hoffen, dass wir dies gemeinsam auf die beine stellen koennen. Wo? Mindestens im Aufstand und DebattenRaum. Vielleicht hilft da auch Franz Nahrada aus Oesterreich mit, der streng in diese richtung wirkt.

mit dank und lieben gruessen, willi
Asuncion, Paraguay

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