Entscheidungsfindung und -umsetzungSystemisches Konsensieren - ein besserer Weg zur demokratischen Entscheidungsfindung?


HCGuth
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Du stellst die Frage (oder Aufgabe) immerzu falsch

Beitrag von HCGuth »

Nicht die, die was wissen sollen, müssen sich ändern (das auch); sondern das wesentlich zu Wissende. Wir beherrschen unser Wissen nicht mehr. Das ist das Todernste dabei. Und das Kartenhaus, das zusammenfällt, ist diese Wissenschaft und darauf aufgebaute Technologie, die niemand mehr kontrolliert. Nichtmal der Kapitalismus, der Staat, oder die Öffentlichkeit.
Die Regionalisierung, von der willi immer redet, ist EIN Aspekt der Vereinfachung, die ansteht. Aber bei weitem nicht der einzige.

Die modernen Mittel ("Produktivkräfte") sind ohne Sinn und Verstand "entwickelt" worden. Was wir nachholen müssen, ist: Sie auf Zwecke zu beziehen. Und überhaupt erstmal uns auf Zwecke besinnen, die nicht gleich wieder Mittel sind. (Die Bewegung: Mittel herstellen, um noch mehr und bessere Mittel herstellen, ist eine der Moderne. der Kapitalismus ("Akkumulation") bildet das nur grade nach. Und wird dafür gelobt (auch von den Klassikern), dass er uns faule Menschlein für dies hehre Wachstumsziel vorwärtshetzt. Aber es ist die Moderne, die uns das abverlangt. Der Kapitalismus... ist nur ein Hilfsmittel... für diesen (unseren!?) Zweck.)
Zuletzt geändert von HCGuth am 07.06.2020, 19:44, insgesamt 1-mal geändert.
Hans Christoph Guth


Lotte
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Re: Systemisches Konsensieren - ein besserer Weg zur demokratischen Entscheidungsfindung?

Beitrag von Lotte »

Nein, ich stelle die Frage genau richtig, sei es zentral oder dezentral.

Aber ich ziehe mich nun raus, weil es ein sinnloses Perpetuum mobile ist. Macht ihr mal.


willi uebelherr
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Re: Systemisches Konsensieren - ein besserer Weg zur demokratischen Entscheidungsfindung?

Beitrag von willi uebelherr »

"Und... ja... könnte sein, dass wir von Anfang an andre Fragestellungen bräuchten. Einfachere. Bewältigbarere. Also was für welche?"

Lieber Hans ([mention]HCGuth[/mention]), das findet doch zur zeit im thema "Diskursaktivitaet" statt und nicht hier. Eigentlich ist das thema "Diskursaktivitaet" inzwischen geeignet, in den themenkomplex "Zukunft" zu verschieben oder dorthin zu kopieren, um dann dort konzentriert die Fragen einer lebenswerten Zukunft zu behandeln.


Peter Nowak
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Re: Systemisches Konsensieren - ein besserer Weg zur demokratischen Entscheidungsfindung?

Beitrag von Peter Nowak »

Thomas hat geschrieben:
27.05.2020, 22:38

Allerdings halte ich es für fraglich, ob diese Idealform in der Realität immer umsetzbar ist. Was ist z. B. bei Entscheidungen, die schnell getroffen werden müssen, weil ein Verzögern schwerwiegende Folgen hätte?


Mit der Problematik habe ich mich auch befasst und bin zu dem Ergebnis gekommen, dass (zumindest in Bezug auf Abstimmungen der Gesamtbevoelkerung) ein zweistufiges Verfahren gut waere:
1. Stufe Brainstorming. Alle Argumente dafuer und dagegen werden gesammelt, ohne erstmal darueber zu diskutieren.
2. Stufe Diskussion der einzelnen Argumente bis kein sachlicher Einwand. Mehr erfolgt.
Danach erst die Beschlussfassung. Der grosse Vorteil dieses Verfahrens ist, dass alle Einwaende ernst genommen werden und niemand ungehoert bleibt.
Oder, wenn trotz intensiver Diskussion und dem Austausch aller Argumente immer noch kein Konsens erreicht wurde?


Die Frage waere hier: aus welchem Grund? Weil Einzelne nicht bereit sind, sachliche Argumente anzuerkennen? Das nannte man frueher "bildungsunfaehig" und nennt man heute "belehrungsresistent". Es bedeutet auf jeden Fall eine Haltung, der es nicht um die beste Entscheidung fuer die Gruppe geht, sondern darum, den eigenen Kopf durchzusetzen. Das ist ein Gruppenschaedigendes Verhalten und muesste zum Ausschluss von den Beratungen fuehren.
Ich sehe jedoch jedoch auch ein generelles großes Problem bei demokratischen Entscheidungsverfahren: Sie gehen in der Theorie von der Annahme aus, dass alle Beteiligten eine Konsens- und Diskussionsbereitschaft haben. Die Frage ist, ob dies in der Realität immer der Fall ist? Ich bezweifle es und aus meiner Sicht bergen demokratische Entscheidungsverfahren deshalb auch eine große Gefahr, missbraucht zu werden, indem man ihre eigenen Prinzipien gegen sie anwendet. Das heißt, dass man die demokratischen Prinzipien gezielt ad absurdum führt und sie auf diese Weise außer Kraft setzt.
Das kann nur geschehen, wenn man die Spielregeln der Diskussion nicht einhaelt:
1. Jeder ist verpflichtet, Vorbehalte oder Einwaende vorzubringen.
2. Alle Vorbehalte oder Einwaende muessen sachlich widerlegt oder anerkannt werden.
3. Wer trotz sachlicher Widerlegung auf seiner Ansicht beharrt, ohne dafuer sachliche Gruende vorbringen zu koennen, wird von der weiteren Teilnahme der Diskussion ausgeschlossen.
4. Jeder hat aber das Recht, zum Durchdenken des Fuer und Wider Zeit zu fordern, niemand darf unter Druck gesetzt werden, eine Entscheidung ohne eigene Erwaegung zu faellen.
Ich nehme mal das Idealbild der demokratischen Entscheidungsfindung, die Diskussion, bis ein Konsens erreicht wird. Führt man dieses Prinzip konsequent durch, dürfte keine Entscheidung getroffen werden, wenn kein Konsens gefunden wurde, der für jedes Mitglied einer Gemeinschaft tragbar ist. Man stelle sich einmal eine Gemeinschaft vor, in der alle Mitglieder bis auf ein einziges für eine bestimmte Entscheidung sind. Das eine Mitglied, das gegen die Entscheidung ist, ignoriert jegliche Argumente und bleibt stur, weil es unbedingt seinen Willen durchsetzen will. Konsequenterweise dürfte die Entscheidung also nicht getroffen werden. Dies würde aber bedeuten, dass dieses eine Mitglied durch seine bewusst eingesetzte Verweigerungshaltung unverhältnismäßig viel Macht bekommt bzw. zur allein entscheidenden Person aufsteigt, da letztlich nur ihre Haltung den Ausschlag gibt, ob die Entscheidung umgesetzt wird oder nicht. Sie kann die Entscheidung blockieren und damit den Willen aller anderen außer Kraft setzen.


Das verhindern die obigen Regeln.
Die Beispiele verdeutlichen das Problem bei demokratischen Entscheidungsverfahren aus meiner Sicht, dass diejenigen, die unfair spielen, belohnt werden und sich Vorteile verschaffen.
Das kann nur geschehen, wenn die obigen Regeln nicht bekannt sind oder ignoriert werden.
Meine persönliche Erkenntnis daraus ist, dass demokratische Verfahrensweisen allein nicht ausreichen, sondern dass es auch Sicherungsmechanismen geben muss, die einem derartigen Missbrauch vorbeugen.
Genau das ist der Sinn der obigen Regeln. Sie sind abgeleitet aus den Diskussionen von Sokrates, wie sie sich in Platons Dialogen finden und wurden so oder aehnlich auch in Platons Akademie befolgt.


Peter Nowak
Beiträge: 33
Registriert: 08.10.2020, 16:55

Re: Systemisches Konsensieren - ein besserer Weg zur demokratischen Entscheidungsfindung?

Beitrag von Peter Nowak »

Peter Nowak hat geschrieben:
27.10.2020, 11:13
Thomas hat geschrieben:
27.05.2020, 22:38

Ich sehe jedoch jedoch auch ein generelles großes Problem bei demokratischen Entscheidungsverfahren: Sie gehen in der Theorie von der Annahme aus, dass alle Beteiligten eine Konsens- und Diskussionsbereitschaft haben. Die Frage ist, ob dies in der Realität immer der Fall ist? Ich bezweifle es und aus meiner Sicht bergen demokratische Entscheidungsverfahren deshalb auch eine große Gefahr, missbraucht zu werden, indem man ihre eigenen Prinzipien gegen sie anwendet. Das heißt, dass man die demokratischen Prinzipien gezielt ad absurdum führt und sie auf diese Weise außer Kraft setzt.
Peter Nowak hat geschrieben:
27.10.2020, 11:13

Das kann nur geschehen, wenn man die Spielregeln der Diskussion nicht einhaelt:
1. Jeder ist verpflichtet, Vorbehalte oder Einwaende vorzubringen.
2. Alle Vorbehalte oder Einwaende muessen sachlich widerlegt oder anerkannt werden.
3. Wer trotz sachlicher Widerlegung auf seiner Ansicht beharrt, ohne dafuer sachliche Gruende vorbringen zu koennen, wird von der weiteren Teilnahme der Diskussion ausgeschlossen.
4. Jeder hat aber das Recht, zum Durchdenken des Fuer und Wider Zeit zu fordern, niemand darf unter Druck gesetzt werden, eine Entscheidung ohne eigene Erwaegung zu faellen.
Es gibt allerdings noch eine Methode, eine sachliche Diskussion zu unterlaufen, die von den obigen Regeln nicht erfasst wird und sie auch benutzt, um die eigene Meinung durchzusetzen. Sie besteht darin, ueber einen laengeren Zeitraum einen Wust von tatsaechlichen oder hergesuchten Argumenten vorzubringen. Spaetestens nach 5 Minuten ist niemand mehr in der Lage, die Argumente zu wiederholen.

Es gibt verschiedene Methoden, diesen Missbrauch zu bekaempfen:
1. Die gaengigste Methode ist die Begrenzung der Redezeit. Das hat aber den Nachteil, dass dabei unter Umstaenden wichtige Gedanken abgeschnitten werden.
2. Die zweite Methode ist daher besser geeignet, sie besteht in der stichpunktmaessigen schriftlichen Erfassung der Argumente, waehrend sie vorgebracht werden, was es ermoeglicht, sie Punkt fuer Punkt abzuarbeiten.

Je nachdem, ob es sich um tatsaechliche oder hergesuchte Argumente handelt, waere in so einem Fall auch der Ausschluss von der Diskussion, wegen Missbrauchs ihrer Regeln zu erwaegen, weil es sich um ein gemeinschaftsschaedliches Verhalten handelt.

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