Einschränkung der Grundrechte durch Corona-VerordnungenVom Moment, den eigenen Freunden in den Weg zu treten

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Guido
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Vom Moment, den eigenen Freunden in den Weg zu treten

Beitrag von Guido »

Ein Gastbeitrag von Clara Nacht
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„Es verlangt einiges an Mut, sich seinen Feinden entgegenzustellen, doch genauso viel, den eigenen Freunden in den Weg zu treten.“

Dieser Satz aus „Harry Potter und der Stein der Weisen“ kam mir vor einigen Monaten, als es mit der „Impfkampagne“ für alle losging, immer wieder in den Sinn. Da deutete sich mit immer stärkerer Vehemenz an, dass der deutsche Staat die sogenannten „Corona-Schutzimpfungen“ der ganzen Bevölkerung verabreichen wollte. Immer mehr Freunde zeigten sich aufgeschlossen, entweder aus Angst vor der Krankheit oder um möglichst schnell wieder bequem alle Freiheiten und Bürgerrechte zurück zu bekommen. Erstmals wurde mir bewusst, sehr bald alleine dazustehen.

Wir dürfen uns nicht spalten lassen, sagen wir uns immer. Doch das ist leichter gesagt als getan. Wir sind gespalten im Denken und darin, dass viele nicht denken wollen.

„Es werden sowieso bald Freundschaften zu Bruch gehen“, äußerte ich im Gespräch mit einer Freundin, die etwas kritisch denkt. „Achwas“, entgegnete sie. „Achwas“ würde sie noch häufiger sagen, dabei kann man mit ihr noch ein bisschen reden. Nach und nach ließen sich alle „impfen“. Gespräche wurden seltsamer. Mit meinen Bedenken war ich mehr und mehr alleine und kam mir vor wie ein Geisterfahrer, wie jemand, der an UFOs glaubt. Sie wollten nicht darüber reden, sie wollten nichts hören. Die „Argumente“ aus den Überschriften der Tageszeitung und aus den Nachrichten genügten und wurden immer wieder wiederholt:

„Es steht doch überall in der Zeitung“ – „Man hat ja auch Experten gefragt“ – „Jaaa, aber wenn doch was dran ist?“ – „Warum sollte sich die ganze Welt irren?“ – „Ich finde es ja schon irgendwie falsch, dass den Ungeimpften jetzt die Daumenschrauben angezogen werden, das ist irgendwie schon Erpressung, aber ich muss immer auch dran denken, dass die Impfung mich und die anderen schützt, die sich nicht impfen lassen können.“ – „Sie sagen, die Übertragungsrate bei Geimpften ist ja schon geringer.“ – „Naja, man liest ja, Nebenwirkungen sind sehr selten und bei mir haben alle die Impfung gut vertragen.“ – „Es ist so unnötig, sich diese Spritze geben zu lassen, aber wenn man dann gar nichts mehr darf, dann mach ich‘s schon. Ich will wieder weggehen. Was soll‘s“, wurde mir entgegnet. Eine andere Freundin wusste nicht mal, dass es sich um völlig neuartige Substanzen handelte, die da injiziert werden, und reagierte auf meine Skepsis überrascht. Für alle war es eine Selbstverständlichkeit, sich die „Pikse“ zu holen. „Wenn ich dann gut geschützt bin, nehme ich auch gerne einen Tag Leiden in Kauf.“ Und mir wurde immer angedeutet, mit dem Thema zu nerven. (So muss sich vielleicht die Generation gefühlt haben, die vom Krieg erzählen musste, vom Hunger, von der Not, während die Jugend sich amüsieren und unbeschwert leben wollte.)

„Es werden bald Freundschaften zu Bruch gehen“ bewahrheitete sich für mich also. Es wurde schnell klar, dass wir in ganz anderen Welten lebten: Neue Wohnungseinrichtung gegen Angst gegenüber der Bestürzung über das verlorene Recht auf Unverletzlichkeit der Wohnung. Dating-Erlebnisse gegen Angst vor ausgeweiteter Kontaktverfolgungsmöglichkeiten. „Achwas“ und Seufzen. Ich bin ja schon still. Normale Gespräche sind schwierig: Auf die unbeschwerte Frage „Naaaaa, wie geht’s euch so?!“ ein bedrücktes „Passt schon.“ „Häh? Was ist denn los?“ „Ach, es bedrückt mich, dass es immer heftigere Einschränkungen gibt.“ „Mhm.“ Weiter geht‘s mit Alltagssorgen, Netflix, Online-Shopping. Cocktail trinken und Kinobesuche sind für 3G ja auch wieder „erlaubt“. Nach virtuellen Gesprächen fühle ich mich traurig und unverstanden. Gute Laune zu heucheln, um nicht zu nerven und vor jedem Wort erst zu überlegen, ist anstrengend. Ich kann nicht erzählen, dass ich, wo immer ich kann, auf alternative Medien hinweise. Ich kann nicht erzählen, welche Zeitungen ich lese, wie ich gegen die Maßnahmen aktiv geworden bin. Auch nicht von kleinen Erfolgen, die mich dann doch freuen.

Für eine Freundin, die aus persönlichen Gründen sehr ängstlich ist – was ich verstehe –, bin ich wohl einfach die Leugnerin. Schon mit leisen Zweifeln an den Maßnahmen belaste ich sie mit Dingen, mit denen sie sich nicht befassen will. Sie will sich mit schönen Dingen ablenken und dass alles schnell vorbei ist und hält ein Befolgen aller Maßnahmen für den einzigen Weg – wie von den Leitmedien versprochen –, höre ich heraus.

Eine Einladung zu einem Geburtstag kommt: Gemütlich was trinken wäre angedacht. „Ich registriere mich nirgendwo und teste mich nirgendwo, wenn es nicht unbedingt sein muss“, sage ich. Es ist das erste Mal, dass ich so klar Position beziehe. „Ich finde diese Maßnahmen entwürdigend.“ Wieder merke ich, dass man mich nicht versteht, dass ich nerve. Ich bin der Klotz am Bein, wegen dem man umplanen muss und attraktive Lokale nicht mehr betreten darf. Ich überlege hin und her und am Ende sage ich kurzfristig, dass es mir nicht gut geht – schließlich stimmt es ja, wenn auch anders – und komme nicht mit. Ich fühle mich schlecht dabei, wenn Menschen wegen mir nicht in ihr Lieblingslokal dürfen.

Ein lange geplantes Treffen alter Freunde steht an. Wochen vorher zeichnet sich ab, dass die Maßnahmen wieder mal willkürlich verschärft werden, weil die sogenannten Infektionszahlen willkürlich gestiegen werden. Ich halte mich bei der Planung zurück. Kurz vorher deutet sich an, dass das Wetter zu schlecht für die relativ unkomplizierte Außengastronomie ist. Man redet über die Einschränkungen, als wären sie einfach da wie das schlechte Wetter. Ich habe keine Lust mehr auf ein Treffen. Das deprimiert mich. Im Gruppenchat bekunden alle, freudig oder selbstverständlich ihren „Impf“status, der ihnen den Zutritt überall problemlos ermöglicht. Ich sage weder ab noch zu. Bei solchen Gesprächsthemen im Vorfeld geht es mir wieder nicht gut. Außerdem vermisse ich Bars und Kinos und Freizeiteinrichtungen eigentlich überhaupt nicht.

Ein paar Stunden vor dem Treffen, dem ich anders als üblich nicht zugesagt habe, werde ich von der ängstlichen Freundin ermahnt: „Du bist ja nicht geimpft, oder?! Denkst du an ‘nen Test?“ Sie weiß eigentlich, dass ich mich aus Prinzip nicht für Freizeitaktivitäten testen lasse, ich habe es immer wieder mit Nachdruck wiederholt. Der Gedanke an die entwürdigende Razzia, die mittlerweile bei jeder Einlasskontrolle vor Restaurant, Bücherei, Kino oder Schwimmbad stattfindet und der strengen Frage des Einlasspersonals „Ist der Test ganz sicher von heute???“, die die Kontrolle länger hinzieht, als bei Ge“impften“, verursacht mir Bauchschmerzen. Nach diesem Satz meiner Freundin reicht es mir. Ich fühle mich unverstanden und sehr befremdet, dass sie alle mit dem neuen System keine Probleme haben. Ich schreibe mit viel Herzklopfen in den Gruppenchat, in dem zum Teil Freunde sind, die mir in schweren Momenten geholfen haben oder es zumindest immer versucht haben.

In knappen Worten erkläre ich, dass ich sie, meine Freunde, in normalen Zeiten gerne getroffen hätte. Dass ich aus politischen Gründen ohne körperlichen Eingriff aber nicht in Restaurants, Bars und Innenräume „darf“, und schreibe unmissverständlich, was ich davon halte. Ich drücke meine Skepsis gegenüber dem Zustandekommen der sogenannten Infektionszahlen aus. Ich schreibe auch, dass ich dieses System und Einrichtungen, die bei der Diskriminierung von Menschen, die ihre Ungefährlichkeit erst beweisen sollen, mitmachen, nicht durch meine Teilhabe unterstütze und mich im Wissen um solche Kontrollen nicht wohlfühlen kann. Ich erkläre auch, dass ich jede Ausnahme, die ich machen könnte, als Verrat an der Gruppe der mit mir Diskriminierten empfinde.

Ich stelle mich damit gegen das System. Ich stelle mich gegen meine Freunde. Ich stelle mich vielleicht moralisch höher als sie, weil mir meine körperliche Unversehrtheit wichtiger ist als sie. Ich weiß es nicht. Ich weiß nicht, ob es richtig ist. Es fühlt sich nur wie die einzige Entscheidung an, mit der ich leben kann.

Man antwortet mir mit „Schade“, dem man das Unverständnis heraushört. Und einem phrasenhaften, vagen „Ich kann dich verstehen, impfen ist eine persönliche Entscheidung“.

Der Abend war dann wohl für sie lustig, sehe ich an den Bildern auf Social-Media. Ich weiß nicht, ob mir das wehtut. Vielleicht. Aber eigentlich ist mir diese Welt fremd geworden und genauso die Menschen, die es nicht befremdlich finden, Gesundheitsdaten jedem Fremden zu zeigen. Die Freundin, die mich zum Test ermahnte, schreibt mir eine Weile später, wie gedacht, war sie wütend auf mich. Ich erkundige mich genau nach den Gründen. Die Antwort zeigt, wie sehr man ihr Angst gemacht hatte, wie sicher sie sich durch die Maßnahmen fühlt und wie sehr sie an eine Rettung durch sie glaubt. Im Grunde genommen wiederholt sie mir Wort für Wort die Phrasen der Leitmedien, die auf sie übergegangene Aggression gegenüber Menschen wie mir. Ich kann nicht fassen, was ich lese, ich hätte viele Argumente, viele Antworten. Trotzdem weiß ich nicht, was ich antworten soll, wie ich sie erreiche. Mich schockiert ihre Aussage „ich schau voll selten Nachrichten, mich würde das so fertig machen, immer zu sehen, wie schlimm das Leute treffen kann und wie da Leute sterben und vorher leiden. Und ich verstehe nicht: Wenn man sowas schon sieht, wie kann man dann noch sagen: ‚Ist doch alles nicht so wild‘.“ Die Aussage nimmt mir die Luft zum Atmen. Noch mehr als jede Maske das könnte. Sie will und kann sich aus Angst vor der Angst nicht genau informieren … Und ich erkenne die Anklage gegen mich. Das macht mich betroffen. Und hilflos. Und wütend. Mit allem, was ich sagen will, fühle ich mich ungefähr so gemein, als würde ich einem Kind enthüllen, dass es keinen Osterhasen gibt und ihm den Glauben böswillig zerstören.

Eine andere Freundin hätte versucht, mir ohne Test ein „Zertifikat“ zu besorgen, doch meine Abscheu vor der Kontrolle und der Maschinerie war größer. Dass das Verhältnis zu ihr schwierig geworden ist, tut mir leid, ich weiß eigentlich nicht, ob sie insgeheim Ängste wegen der Substanz in ihrem Körper hat und ob „Freiheiten genießen“ eine Form von Verdrängung ist. Wenn das so wäre: Darf ich sie immer wieder mit ihrem wunden Punkt konfrontieren?

Ich weiß nicht, ob es richtig ist, wie ich mich verhalte. Ich weiß nicht, ob es Mut ist. Vielleicht ist es dumm. „Es werden Freundschaften zerbrechen“, habe ich geahnt. Ja, das ist jetzt vielleicht passiert, aber ich konnte nicht schweigen. Wie werden wir uns irgendwann wieder begegnen, wenn wir wissen, wie jeder von uns in der Krise, der Zerreißprobe, dachte? Werden wir uns wieder begegnen? Wie werden wir dann über uns denken?

„Wir müssen was tun“, habe ich seit dem Frühjahr immer wieder gesagt. „Man kann nichts tun“, hat die gesagt, mit der man noch ein bisschen reden kann, bevor sie sich genervt fühlt. „Auf den Demos sind Rechte“, sagte sie entschieden. „Das bringt doch alles nichts.“ „Man kann eh nichts tun, ich will versuchen zu leben und glücklich zu sein.“ Dann ging es wieder um Alltagssorgen der Twentysomethings. Und ich war geknickt und traurig und fühlte mich alleine, obwohl ich doch unter Menschen war, die ich eigentlich mochte.

Dann bin ich auf einmal auf der ersten Demonstration meines Lebens, obwohl man da natürlich vorsichtig sein muss, wer einen sieht. Ich bin Füllmaterial, damit der Demonstrationszug größer aussieht. Ich würde gerne ein Plakat mittragen oder wenigstens ein T-Shirt mit entsprechender Aufschrift, aber mehr kann ich strategisch nicht tun. Es fühlt sich richtig an und trotzdem sehr seltsam. Jeder Schritt ist leicht, weil wir viele sind und uns die Sache wichtig ist, und schwer, weil man fühlt, wie sehr wir für die Außenstehenden Abschaum sind. Am Straßenrand sitzen sie in den Cafés und schauen verächtlich, auf uns „Verrückte“. Am Straßenrand stehen sie und schauen mit großen unbeteiligten Augen. „Ah, so ein AfD-Abklatsch!“, sagt jemand verächtlich. „Ich bewundere die Polizisten, dass die es jede Woche aushalten, diesen Scheiß anzuhören“, sagt ein anderer. „Keine Impfpflicht, keine Impfpflicht“, skandieren die Demonstranten zurückhaltend. Und „Freiheit“. Viele Passanten schütteln angewidert den Kopf.

Wenn mich ein paar meiner Freunde auf dieser Demonstration sehen würde, dann wär’s das wohl mit der Freundschaft. Oder sie würden den Kopf schütteln und denken: „Waaas??? Dieee?“ Alle ehemaligen Mitschüler, an die ich mich noch erinnere, bis auf einen einzigen, den ich nur vom Namen und Sehen her kenne. Sie teilen auf Social-Media was wie „Querdenker protestieren für Freiheiten, die wir nie hatten“, ich hab nachgesehen. Es sind Juristen dabei. Lehrer. Journalisten. Alle ehemaligen Mitstudenten, mit denen ich noch Kontakt habe, sind ähnlich drauf. Meine ehemaligen Lehrer vielleicht auch. Ach, egal. Wer bin ich? Das weiß ich nicht.

Und wieder kommt mir das Zitat in den Sinn.

„Es verlangt einiges an Mut, sich seinen Feinden entgegenzustellen, doch genauso viel, den eigenen Freunden in den Weg zu treten.“

Vielleicht habe ich immer wieder diese Worte im Kopf, weil sie mich trösten auf irgendeine Art. Ich weiß nicht, ob es mutig ist, sich auf diese Weise Freunden in den Weg zu stellen. Es ist eher schwierig und entmutigend. Aber für mich ist es im Moment die einzige Lösung.

Quelle:
https://kaisertv.de/2021/10/22/vom-mome ... zu-treten/

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