Weitere ThemenLinks und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

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Themenersteller
Thomas
Administrator
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Registriert: 23.04.2020, 22:44

Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Thomas »

Zunehmend werden in diesen Tagen Gedanken, Ideen, Konzepte, Meinungen etc. in eine dieser beiden Schubladen gesteckt. Viel schlimmer ist jedoch, dass anhand dieser Einteilung eine Bewertung vorgenommen wird: Soll heißen, etwas wird weniger aus argumentativer Sicht darauf geschaut, ob etwas sinnvoll und gut ist, sondern vielmehr darauf, ob es links oder rechts ist bzw. ob die Äußernden links oder rechts sind. Beide Begriffe werden mittlerweile als Totschlagargumente missbraucht, um unliebsame Diskussionen abzuwürgen. Für mich sind links und rechts zu Symbolwörtern einer zunehmenden Feindlichkeit gegenüber offenen Diskursen geworden.

Und daher stellt sich mir die Frage, ob man eine derartige Unterscheidung überhaupt noch treffen sollte? Und je mehr ich darüber nachdenke, desto sinnloser erscheint mir diese Einteilung.

Der Grund für meine Einschätzung ist denkbar einfach:

Ich halte nicht mehr viel von der Einteilung in links und rechts, weil sie schlicht und einfach null Relevanz hat!

Man kann Gedanken, Ideen, Konzepte, Meinungen etc. sinnvoll anhand verschiedener Kriterien bewerten: Sind sie vernünftig? Sind sie logisch? Sind sie realistisch? Sind sie umsetzbar? Sind sie ethisch vertretbar? Um nur ein paar mögliche Aspekte zu nennen, die tatsächlich für die Bewertung relevant sind, da man anhand von ihnen Einschätzungen der Qualität vornehmen kann. Aber die Frage, ob etwas links oder rechts ist, ist rein ideologischer Natur und sagt überhaupt nichts über die Qualität dieses Etwas aus. Sie ist aus diesem Grund als Bewertungskriterium vollkommen ungeeignet und damit eigentlich absolut belanglos und unnötig. Was hat man denn davon, zu sagen, etwas ist links oder rechts?

Wenn also diese Links/Rechts Einteilung keinerlei Relevanz hat, auf der anderen Seite aber zu Spaltung und Ausgrenzung führt, muss man eigentlich klar konstatieren, dass sie keinen Nutzen bringt, aber großen Schaden anrichten kann. Und die logische Schlussfolgerung müsste eigentlich sein, darauf zu verzichten. Zumindest als Bewertungskriterium.

Was sind eure Gedanken zur Einteilung links und rechts? Was haltet ihr davon?


Benutzer 54 gelöscht

Re: Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Benutzer 54 gelöscht »

Ich verorte mich eindeutig links. Linkssein bedeutet für mich: Solidarisch sein mit den Ausgebeuteten und Unterdrückten. Rechts sind für mich hingegen diejenigen, die die Interessen der Herrschenden vertreten.


Benutzer 54 gelöscht

Re: Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Benutzer 54 gelöscht »

Mein Beitrag von gerade trägt wahrscheinlich nicht zur Erhellung deiner Frage bei. Ich habe damit zwar meine Haltung beschrieben, was aber noch nichts darüber aussagt, wie im öffentlichen Diskurs mit dieser Unterscheidung umgegangen wird oder werden sollte. Und wahrscheinlich zielte deine Frage eher darauf ab. Allerdings kann man inzwischen fast nicht mehr von einem öffentlichen Diskurs sprechen, vielmehr handelt es sich überwiegend um einen reinen Schlagabtausch, in dem Klassifizierungen generell zum Zwecke der Diffamierung oder eines Denkverbots missbraucht werden. Das sagt meiner Meinung nach mehr über den Qualitätsverlust unseres öffentlichen Debattenraums aus als über die Sinnhaftigkeit der Unterscheidung zwischen rechts und links.


Christoph Petzold
Beiträge: 10
Registriert: 02.05.2020, 11:23

Re: Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Christoph Petzold »

Links - Rechts ist ein geeignetes Spaltungsthema.

Es kommt darauf an, dass wir jeden Versuch der Spaltung oder Diffamierung durch Totschlagargumente, klar benennen, offen legen, transparent machen, entlarven. Sollen die Menschen sich doch als Links oder Rechts verorten. Das ist alles schön und gut. Interessant ist doch, wenn wir über konkrete Werte sprechen, die jeder einzelne damit verbindet und dass wir genau prüfen, ob sich daran gehalten wird oder ob nur gelabert wird.

Verschwörungstheorien sind ein weiteres Totschlagargument. Hier kann man leicht auflösen, indem man klarmacht, dass eine Verschwörungstheorie erst einmal eine neutrale Theorie darstellt, die gestützt, geprüft oder widerlegt und diskutiert werden kann.
Dieser Begriff wurde leider nach 9/11 umgeframed, so dass die meisten Menschen eher Verschwörungswahn meinen, wenn sie Verschwörungstheorie sagen. Damit wird eine grundlegende Absicht unterstellt, dass ein Verschwörungstheoretiker nicht bereit wäre, seine eigene Theorie zu hinterfragen. Das ist aber im Allgemeinen nicht der Fall, sondern die Theorie kann sich als wahr, falsch oder unvollständig erweisen. Ich kenne viele Verschwörungstheorien und reale Verschwörungspraktiken. Wir sollten alle Theorien auf den Tisch legen und die besten raussuchen. Jeder sollte sich Gedanken über die Zusammenhänge machen. Für mich ist es ein Qualitätsmerkmal, wenn mir Jemand sagt, ich hätte eine Verschwörungstheorie :lol:

Hier kann man die Menschen konfrontieren und sie fragen, ob sie Lust haben zu schauen, was die stärkeren Argumente sind, welche Theorie besser ist und welche nicht. Meistens kommt doch der Vorwurf, weil die Menschen sich nicht vorstellen wollen, dass an der Theorie was dran ist. Hier kann man sich einfach zurücklehnen und immer wieder freundlich einladen, ob die Leute bereit sind, ihr Werte- und Glaubenssystem zu hinterfragen. Wenn einer nicht argumentieren will, dann kann man ihm sagen: Ok, du willst nicht argumentieren, fein, dann geh bitte!


Guido
Beiträge: 661
Registriert: 24.04.2020, 01:42
Wohnort: Magdeburg

Re: Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Guido »

Ich halte die Begriffe politisch links zu stehen, oder rechts zu stehen, nach wie vor für wichtig. Noch dazu, es gibt in Deutschland eine Partei, die sich diese politische Ausrichtung zum Namen gemacht hat. Über die tatsächliche Ausrichtung der Partei PdL möchte ich hier nicht weiter eingehen.

Nur weil die Leitmedien diese Begriffe völlig entwertet haben, sie aus dem eigentlichen Rahmen gerissen haben, Linke und Rechte als System untauglich bezeichnen, oft sogar als extrem oder radikal diffamieren, sollten wir uns diese Begrifflichkeiten in unserem Vokabular nicht rauben lassen. Zumindest, wenn man sich hier im Forum austauscht, sollten solche Begrifflichkeiten ihre wahre Verwendung finden dürfen.

Für mich stehen diese Begriffe für folgende Inhalte:
Links, die Interessen der Lohnabhängigen, der Nichtbesitzenden, der Nicht-Machthaber, die nur ihre nackte Arbeitskraft auf den Markt tragen können, sich dort so gut wie möglich verkaufen, um nicht von dem System, welches eindeutig von Rechten bestimmt wird, vernichtet zu werden.

Rechts, die Interessen der Machthaber vertretend, der Besitzenden, der, die die Regeln aufstellen, bestimmen, wer welche Rechte hat, Gesetze erlassen. Das System, dass man als Besitzer der Produktionsmittel, Marken, Patente, Immobilien, die Macht ausüben kann, über die große Mehrheit der Besitzlosen. Sie nennen sich auch die Konservativen, alles soll so bleiben, wie es ist.

So lange wie ich mich aktiv mit Politik beschäftige, regieren in Deutschland rechte Parteien. Dazu zähle ich auch eindeutig die SPD und die Grünen, sie versprechen in ihren Wahlkämpfen Politik für die Lohnabhängigen, die Besitzlosen, aber setzen anschließend die Interessen der Machteliten, der Besitzenden um.

Bestes Beispiel, die Hartz-Gesetze, sie haben Deutschland zum Billiglohn-Land gemacht, durch die hohe Effektivität der deutschen Wirtschaft, gepaart mit Niedrig-Lohn, ist Deutschland Exportweltmeister. Damit müssen sich die südlichen Staaten Europas als Abnehmer unserer Waren verschulden. Aber wem nutzt das? Nicht der Mehrheit der Deutschen, es nutzt den deutschen Konzernen, die von diesen Maßnahmen einer rot/grünen Regierung noch heute profitieren, das ist rechtsextreme Politik. Auch rechtsextrem halte ich die Waffenexporte in die ganze Welt, rechtsextrem sind die Freihandelsabkommen, die halb Afrika zu unseren Kolonien macht. Rechtsextrem halte ich die Rohstoffkriege, an denen sich Deutschland an der Seite der USA/Nato beteiligt.

Wir haben es in Deutschland mit exterm rechter Politik zu tun, seit Jahrzehnten, an den Parteien führend beteiligt sind, die sagen, sie wären links stehend.

Wir sollten uns zumindest hier in unserem politisch unzensierten Debattenraum die wahre Deutung der Begriffe politisch links oder rechts stehend, zurück erobern, uns nicht der Manipulation der Regierungsmedien beugen und freiwillig ergeben.

Hier ein sehenswerter Artikel zum Thema.

Bitte mal vorspulen auf eine Stunde 13 Minuten.
https://www.youtube.com/watch?v=bw5Px3rR9Jo&t=4443s


Guido
Beiträge: 661
Registriert: 24.04.2020, 01:42
Wohnort: Magdeburg

Re: Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Guido »

Hier ein Netzfund, passend zum Thema.
https://www.youtube.com/watch?v=FugB6Be ... e=youtu.be


Lotte
Beiträge: 113
Registriert: 04.05.2020, 13:46

Re: Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Lotte »

Ich gebe Guido recht in der Forderung, sich die Definition der Begriffe zurückzuerobern. Ich definiere mich mal als linksradikal, ohne genau zu wissen, was das alles noch für mich bedeutet - aber ich halte eine erneute Differenzierung der Bewegung für wichtig, weil nicht nur die Regierung sondern auch rechtsradikale Kreise die Zerstörung dieser Bewegung wollen und dies reichlich geschickt angehen.

Angesichts der Diskussion um den Angriff auf die Heute-Show und die Bewegung der Querfrontler, die auf Teufel komm raus eine Einheit schustern wollen, die ich gar nicht nachvollziehen kann, sollte man Kraut und Rüben wieder ordnen. Ich bin an einer ausführlichen Diskussion interessiert.

Arte: Die Geschichte der Arbeiterbewegung empfehle ich - viele interessante Einzelheiten, Geschichten und Bilddokumente, auch wenn der 4. Teil dann doch sehr antikommunistisch endet. Macht aber nix.

https://www.arte.tv/de/videos/082189-00 ... egung-3-4/
Zuletzt geändert von Lotte am 04.05.2020, 14:18, insgesamt 3-mal geändert.


Benutzer 51 gelöscht

Re: Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Benutzer 51 gelöscht »

Ich teile eher die Meinung von Thomas.
Es gibt gute und schlechte Ideen bei Links und bei Rechts. Mir ist es erstmal wurscht von wo ein Vorschlag kommt.
Wichtig ist der Vorschlag selbst, nicht von wo er kommt.

Der Mensch mag Schubladendenken, das ermöglicht schnelle Entscheidungen.
Bin ich Links, bin ich Rechts, Mitte, Oben, Unten, Quer, eigentlich egal.


HCGuth
Beiträge: 106
Registriert: 25.04.2020, 20:28

Ist die LinksRechtsUnterscheidung überholt?

Beitrag von HCGuth »

Ich habe eine längere Überlegung zu diesem Thema in meinem Mitglieder-Blog gepostet:
viewtopic.php?f=80&p=204#p204

Nicht nur diese Debatte kommt auf, weil sich die derzeit oppositionell Eingestellten viel zu wenig mit politischer und ökonomischer Theorie beschäftigen wollen, und den derzeit herrschenden Verhältnissen sich bereits intellektuell nicht gewachsen zeigen. Geschweige denn, dass sie Konzepte zu deren Überwindung kennen.
Das ist aus MEINER Sicht auch viel verlangt. Wir befinden uns an der Schwelle zu einem Epochenübergang. Und wenn es sich so verhält, muss man erwarten: dass vieles, oder beinah alles, komplett neu (über unzulänglich Bestehendes hinaus) er- und gefunden werden muss.
Diese Bemerkung darf auch als Überleitung verstanden werden zu meinen Ausführungen zum Thema: Warum, woran scheitern derzeit weltweit fundamental-oppositionelle Bewegungen?
Hans Christoph Guth


Lotte
Beiträge: 113
Registriert: 04.05.2020, 13:46

Re: Links und rechts – nötige Unterscheidung oder überflüssiges Spaltungsvokabular?

Beitrag von Lotte »

Links und rechts

Ich möchte auf meinen Unterscheidungen beharren, auch wenn sich diese im Lauf der Jahre modifizieren und auch wenn ich es sehr begrüße, dass die unterschiedlichsten Linken miteinander ins Gespräch kommen.

Abgrenzen möchte ich mich von einer Szene, die das Menscheln in den Vordergrund stellt und dabei aber „rechte“ Narrative von Nation, Fremdenfeindlichkeit und Minderheitendiskriminierung postuliert. Den Deutschen zuerst, reicht mir schon als Forderung.
Es ist derzeit eine verrückte Entwicklung, die ich gern ausführlich diskutieren möchte, weil ich den Verdacht habe, dass wir eines Tages verblüfft in einer neuen Gesellschaft aufwachen, die wir eigentlich verhindern wollten.
Zuerst ein Video von der Querfront und den Menschen, die sie möchten. Querfront hat meines Erachtens viel mit Querdenken zu tun, das im Moment institutionalisiert wird.
Ein Linksradikaler hat zum Video gesagt: „Einfaches Gemüt.“ Sehe ich nicht so – es ist Jürgen Elsässer, Kopf vom Compactmagazin, ehemals Radikallinker, der hier versucht, links und rechts als gemeinsames Ziel darzustellen und sich – wenn man genauer schaut- einer vereinfachenden Erklärung und Strategie bedient, um seine offensichtlichen DDR-Zuhörer einzufangen. Das macht er geschickt, wenn man die Reaktionen hört und wenn man sieht, was bundesweit an genau dieser Richtung abgeht. Ich behaupte, dass diese Richtung, national patriotisch und rechts, die Mehrheit in diesem Land hat, nur noch keine stringente Führung. Sie baut auf auf ein dumpfes Bauchgefühl von Benachteiligung und materieller Gier, gekoppelt mit einer Wut des Masochisten auf seine Unterdrückung, die er nicht in den Griff kriegt. Ein Bilderstürmer eben.

Das zweite wäre dann das umjubelte Video von Ken FM, das die demagogische Struktur politischer Einheizer ziemlich gut aufzeigt.

Aber zuerst das:

https://www.youtube.com/watch?v=WM7MLrtmGtY

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