ParteienStandpunkt DIE LINKE zum 3. Bevölkerungsschutzgesetz

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Guido
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Standpunkt DIE LINKE zum 3. Bevölkerungsschutzgesetz

Beitrag von Guido »

Hier mal ein Brief aus dem Bundestags-Büro Frau Sitte. Aus meiner Sicht akzeptiert die LINKS Fraktion unbewiesene Behauptungen der Regierung. Auf einer Lüge aufbauend entsteht eine Rechtfertigungsstrategie, die das eigentliche Ziel verfehlt. Wie seht ihr das?



".... wie gewünscht, übersende ich Ihnen gerne den Standpunkt der Fraktion DIE LINKE im Deutschen Bundestag zum 3. Bevölkerungsschutzgesetz.
Die Bekämpfung der Corona-Epidemie macht schwierige Abwägungen notwendig. Länder wie Frankreich und Belgien kämpfen aktuell wieder mit hohen Neuinfektionszahlen und haben wegen der überforderten Gesundheitssysteme die deutsche Regierung um Hilfe gebeten. Entscheidungen, dass etwa Menschen ab einem bestimmten Alter nicht mehr intensivmedizinisch behandelt werden, werden bereits heute in vielen Ländern wegen der fehlenden Behandlungskapazitäten getroffen. Das wollen wir in Deutschland unbedingt vermeiden. Wir haben gesehen: Auch in Deutschland können die Infektionszahlen sehr schnell in einen Bereich steigen, in dem eine Überlastung des Gesundheitssystems wenige Wochen danach vorprogrammiert ist. Die Phase im Sommer, in denen relativ wenige Übertragungen stattgefunden haben und diese vor allem jüngere Menschen mit geringem Risiko für einen schweren Krankheitsverlauf betrafen, ist vorbei.
Bei aller Notwendigkeit die Epidemie einzudämmen, müssen und können jedoch rechtsstaatliche und demokratische Prinzipien gewahrt werden. Es darf nicht sein, dass der demokratische Diskurs weiterhin durch die Regierungspolitik ausgehebelt wird. Die notwendigen Maßnahmen brauchen den konstruktiven Meinungsstreit, die unterschiedliche Perspektiven. Der Platz dafür ist in den Parlamenten, die am besten durch die gewählten Fraktionen als Spiegelbild der Gesellschaft gelten können. Zudem sind die Parlamente als Gesetzgeber auch die Einzigen, die tiefe Grundrechtseingriffe und ethische Fragestellungen für die Bevölkerung regeln dürfen (siehe Wesentlichkeitstheorie des Bundesverfassungsgerichts). Die Kontrolle der Infektionszahlen und damit auch die Vorbeugung einer Überlastung des Gesundheitssystems lebt von der Akzeptanz in der Bevölkerung und diese darf nicht aufs Spiel gesetzt werden.
DIE LINKE fordert daher im Bundestag, dass die Bundesregierung eine längerfristige Strategie zum Umgang mit der Corona-Pandemie vorlegt und diese vom Bundestag ggf. geändert und beschlossen wird. Wir fordern eine Evaluation, die neben der Wirksamkeit im Sinne des Infektionsschutzes auch die Auswirkungen auf die gesamte Gesellschaft, die Verhältnismäßigkeit aller Maßnahmen und nicht zuletzt auch die soziale Gerechtigkeit und Nachhaltigkeit der Hilfspakete umfasst. Wir fordern dafür eine Evaluationswoche, in der für alle Bereiche der Gesellschaft die Folgewirkungen der Epidemie, der Infektionsschutzmaßnahmen und der Hilfsmaßnahmen diskutiert werden. Wo sinnvoll, sollte das auch mit öffentlichen Anhörungen mit Expertinnen und Experten unterschiedlicher Fachrichtung und mit unterschiedlichen fachlichen Einschätzungen erfolgen.
Die Feststellung der epidemischen Lage von nationaler Tragweite ist primär nicht eine symbolische Entscheidung. Sie ermöglicht dem Gesundheitsministerium schnelle Gegenmaßnahmen z.B. für den Fall, dass Schutzmaterial oder Behandlungskapazitäten knapp werden. Sie macht es möglich, schnell Behandlungskapazitäten in den Krankenhäusern freizumachen, wenn das notwendig werden sollte. Das sind nach unserer Auffassung sinnvolle Gegenmaßnahmen, die im Epidemiefall schnell ergriffen werden müssen. Die nicht vorhersagbare und äußerst dynamische Entwicklung im März 2020 ließen schnelle Entscheidungen notwendig werden. Unter anderem auf Druck der Bundestagsfraktion DIE LINKE wurde der Parlamentsvorbehalt für die Feststellung der „epidemischen Lage von nationaler Tragweite" und die automatische Befristung aller darauf beruhenden Ver- und Anordnungen bei der Regelung eingefügt. Die problematische Regelung wurde damit entschärft, ihre Geltung bedeutet aber immer noch ein Ausnahmezustand, der grundsätzlich besser früher als später beendet wird.
Am 6. November 2020 war im Bundestag die erste Lesung des „Dritten Gesetzes zum Schutz der Bevölkerung bei einer epidemischen Lage von nationaler Tragweite". Meine Fraktion DIE LINKE hat dazu einen Antrag „Demokratische Kontrolle auch in der Pandemie" gestellt, diesen finden Sie an
bei. In der Debatte haben meine Kollegin Susanne Ferschl und mein Kollege Achim Kessler dazu gesprochen. Die Reden können Sie sich in der Mediathek unter folgenden Links anschauen:

https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7481966... <https://portala.dbtg.de/,DanaInfo=www.bundestag.de,SSL...> <https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7481966... <https://portala.dbtg.de/,DanaInfo=www.bundestag.de,SSL...> >

und

https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7481973... <https://portala.dbtg.de/,DanaInfo=www.bundestag.de,SSL...> <https://www.bundestag.de/mediathek?videoid=7481973... <https://portala.dbtg.de/,DanaInfo=www.bundestag.de,SSL...> > .

Ich bedanke mich bei Ihnen für Ihren Anruf und bitte Sie, weiterhin wachsam zu sein und sich in die Politik einzumischen.
Mit freundlichen Grüßen
Mirjam Lassak
____________________________________________________
Büro MdB Dr. Petra Sitte - Stellvertretende Fraktionsvorsitzende
Platz der Republik 1 | 11011 Berlin


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Guido
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Antwort FDP zum 3. Bevölkerungsschutzgesetz

Beitrag von Guido »

Und die Antwort der FDP...

....wie telefonisch besprochen, übersende ich Ihnen die Position der Fraktion zum Entwurf des Dritten Bevölkerungsschutzgesetz.
Der Entwurf des Dritten Bevölkerungsschutzgesetz und insbesondere der im Eilverfahren durch die Große Koalition beschlossene § 28a IfSG ist zur Zeit ein wichtiges politisches Thema und wird von der Fraktion der Freien Demokraten im Deutschen Bundestag intensiv diskutiert und kritisch begleitet. Der Gesetzentwurf enthält zwar wichtige und richtige Punkte, wie z.B. die Abschaffung der Meldepflicht bei Corona-Selbsttests, die Verbesserung der digitalen Anbindung der Labore oder die Nutzung von tier- und zahnärztlichen Laboren für Coronatests. Viele dieser Punkte haben wir bereits seit Monaten gefordert.
Als FDP-Fraktion fordern wir jedoch eine grundsätzlich stärkere Beteiligung des Parlaments bei der Bekämpfung der Pandemie und insbesondere eine konkretere gesetzliche Grundlage für die Maßnahmen und die mit ihnen verbundenen tiefgreifenden und flächendeckenden Grundrechtseingriffen. Die Maßnahmen zur Pandemiebekämpfung müssen nachvollziehbar und in transparenten Entscheidungsprozessen gefunden werden. Alles andere gefährdet die Akzeptanz sinnvoller Maßnahmen. Die Diskussionen und Entscheidungen der Bundeskanzlerin und der Ministerpräsidentinnen und Ministerpräsidenten fanden hinter verschlossenen Türen statt, letztlich wurden die Bürgerinnen und Bürger vor vollendete Tatsachen gestellt, ohne die ausgetauschten Argumente hinreichend nachvollziehen zu können. Wir fordern, dass diese Debatten in den Parlamenten geführt werden. Derart grundrechtsbeschränkende Maßnahmen können nur dann weitreichende Legitimation erhalten, wenn sie eine konkrete gesetzliche Grundlage haben, über die im Bundestag und in den Landtagen diskutiert und abgestimmt wird.
Die aktuelle Regelung (§ 28 IfSG) wird dem nicht gerecht. Sie ist nicht darauf ausgerichtet, flächendeckend das wirtschaftliche und soziale Leben im Land zu regeln, sondern nur für punktuelle Krankheitsausbrüche. Auch namhafte Verfassungsrechtler (z.B. der ehem. Präsident des Bundesverfassungsgerichts Prof. Dr. Hans-Jürgen Papier, https://rsw.beck.de/.../papier-kritisiert-neues-corona...) und Gerichte (zuletzt Bayerischer VGH, Beschluss vom 29.10.2020 - 20 NE 20.2360) bestätigen dies und halten eine neue Rechtsgrundlage für erforderlich, in der der Gesetzgeber die Grenzen und Voraussetzungen der Maßnahmen zur Bekämpfung der Pandemie festlegt.
Der Vorschlag der Bundesregierung (§ 28a IfSG) ist dafür aber ungeeignet und behebt keines der benannten Probleme. So werden die einzelnen Maßnahmen nicht näher bestimmt, sondern nur katalogartig aufgezählt. Es ist dadurch z.B. nicht ersichtlich, welche Schutzmaßnahmen zuerst verhängt werden sollen, weil diese weniger als andere in Grundrechte von Bürgerinnen und Bürgern eingreifen oder wann eine Härtefallregelung vorzusehen ist. Auch eine Orientierung am 7-Tage-Inzidenzwert wird den unterschiedlichen lokalen Infektionsgeschehen nicht gerecht. Oberhalb eines 7-Tage-Inzidenzwertes von 50 pro 100.000 Einwohnern wird die Regelung als Blankoscheck für die Bundesregierung eingeschätzt (so Hans-Jürgen Papier, s.o.).
Auch die Rolle des Parlaments wird durch den Vorschlag der Bundesregierung nicht gestärkt, so fehlen z.B. eine Befristung der Maßnahmen oder eine Berichtspflicht der Bundesregierung an das Parlament.
Die FDP-Fraktion kritisiert daher den Vorschlag der Bundesregierung und ihren Umgang mit den Rechten des Parlaments. Wir haben hierzu bereits Initiativen in den Deutschen Bundestag eingebracht und werden dies auch weiterhin tun.
Mit freundlichen Grüßen
i. A. Sandy Schneider


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Guido
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Persönlicher Brief/Gespräch mit MdB zu 3. Bevölkerungsschutzgesetz

Beitrag von Guido »

Brief an Bundestagsabgeordnete


Betr:: aktuelle Neunovellierung des Infektionsschutzgesetzes

Seht geehrter Herr Bundestagsabgeordneter, Sehr geehrter Herr....,
jegliches Regierungshandeln bedarf einer parlamentarischen und öffentlichen Kontrolle. Besonders in der Krise. Der Schutz vor Infektionskrankheiten ist unstrittig ein wichtiges Gut, allerdings nicht das einzige Schützenswerte in einer freien und pluralen Gesellschaft.
Damit ist eine schwere Verantwortung verbunden, die nicht delegiert werden darf und nach meinem Verständnis auch nicht kann. Auch nicht in Zeiten einer Coronakrise. Keine Entscheidung ist alternativlos. Alle gesellschaftlichen Belange und Interessen müssen berücksichtigt und abgewogen werden. Das ist ein unantastbares Wesensmerkmal der Demokratie.
Die im neuen Gesetzentwurf verankerten Maßnahmen und Möglichkeiten zur Einschränkung von Grundrechten können Gutes im Sinne des Infektionsschutzes bewirken, sie werden aber auch gravierende gesellschaftliche, soziale, psychische und politische Schäden verursachen. Umso mehr bedarf jede Einzelne immer von neuem einer demokratischen Diskussion und Legitimation. Diese ist mit dem neuen Gesetz nicht mehr gegeben.
Die im Gesetz möglichen Einschränkungen stellen tiefgreifende Eingriffe in die persönliche Freiheitsrechte der Bürger und damit ihres Souveräns dar. Sie werden durch das Gesetz in die Hände eines Einzelnen gelegt und der parlamentarischen Kontrolle entzogen. Explizites Ziel ist es, sie auch einer gerichtlichen Kontrolle zu entziehen.
Damit werden demokratische Grundsätze ad absurdum gestellt, das Parlament, also du zum Zuschauer degradiert, die Gewaltenteilung teilweise aufgehoben, der Souverän zum unmündigen Büttel.
Stimmen sie gegen den vorliegenden Gesetzentwurf. Stimmen sie für unsere demokratische Verfassung. Sie sind allen souveränen Bürger verpflichtet - nicht nur ihren Wählern oder ihrer Parteiführung - und der demokratischen Verfassung dieses Landes. Nicht zuletzt ihrem Gewissen und dem Auftrag Schaden von uns allen ab zu wenden- und nicht nur Infektionen.
Mit freundlichen Grüßen
Guido Schulz
P.S. darf geteilt und kopiert werden

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