Aufklärung, Kommunikation und Mediengfp: Die europäische Cloud

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willi uebelherr
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gfp: Die europäische Cloud

Beitrag von willi uebelherr »

Die europäische Cloud
gfp, 05.06.2020
https://www.german-foreign-policy.com/news/detail/8296/

FAZ: Die wichtigste digitale Bestrebung Europas in dieser Generation
Bastian Benrath, Christian Schubert, 04.06.2020
https://www.faz.net/aktuell/wirtschaft/ ... 00356.html

Liebe freunde,

gfp (german foreign policy) hat sich wieder mal einem wichtigen Thema zugewandt, wo deutlich wird, wie wenig sie eigentlich vom Thema selbst verstehen. Ihre referenz ist wohl der Text aus der FAZ (11), den ich oben gleich direkt verlinkt habe.

Im ganzen Text taucht die Bevoelkerung und ihr Bedarf an Telekommunikation nicht auf, nur indirekt als Anhaengsel privater und staatlicher Instanzen. Schon aus dem gesagten wird deutlich, dass die AutorInnen von gfp fuer uns keine Rolle spielen koennen, weil der Fokus ein voellig anderer ist.

Telekommunikation ruht auf 2 Bereichen: Datenuebertragung und Datenverarbeitung. Die Uebertragung sind die Verbindungen, die Verarbeitung findet in den Knoten des Netzwerks statt, um den Transport zu organisieren. Die Uebertragung ist immer analog, die Verarbeitung ruht auf digitaler Interpretation analoger Signale.

Wenn wir von einem Internet sprechen, dann sprechen wir eigentlich von einer "Inter-connection of local Net-works". Die lokalen Netzwerke sind die lokalen Gemeinden. Und sie verbinden sich wie mit Wegen und Strassen. Ein einfaches und hoch redundantes System. Nur, es gibt es nicht, weil wir nur ein InterStar haben, wo die Sternpunkte der Sternstrukturen miteinander verbunden sind, die auch teilweise sich geografisch ueberlagern. Diese Konzentratoren sind die Datenzentren, die auch manchmal IxP (Internet eXchange Points) genannt werden.

Wir sehen sofort die Sternstrukturen (pyramidale Strukturen, Zentralismen), durchgesetzt seit den spaeten 70er Jahren, um diese Systeme privatisieren zu koennen und an wenigen Punkten eine vollstaendige Kontrolle der Datenfluesse zu ermoeglichen. Etwas, was dem Konzept eines InterNet voellig widerspricht.

Dazu kommt, dass das InterNet von vorneherein auf lokalen autonomen Netzwerken (Client, Server und Verbindungen) aufsetzt und selbst nur ein Transportsystem fuer digitale Daten in Paketform und damit fuer jede Anwendungsform vollstaendig transparent ist. Damit fallen auch alle Datenzentren wie auch sonstige IxPs weg. Server-Funktionalitaeten sind in jedem lokalen Netzwerk vorhanden.

Wenn wir einen zukunftsorientierten Standpunkt einnehmen, dann fokussieren wir uns immer auf die Bevoelkerung, die in ihren lokalen Gemeinden mit ihren lokalen Netzwerken leben. Dass sie heute noch in irgendwelchen privaten oder staatlichen Instanzen arbeiten, um das Geld zu erhalten, um damit ihre lebensmittel kaufen zu koennen, koennen wir getrost als etwas zeitlich befristetes auffassen, weil sie voellig ueberfluessig sind.

Aber die Telekommunikation brauchen wir fuer unsere regionale wie auch globale Kooperation. Private und staatliche Instanzen werden da nicht gebraucht.

Damit ist auch klar, dass wir die zentralen "Cloud-"Server Strukturen nicht brauchen wie alles, was in dem Bereich zentralisiert ist wie die IP-Adresse, die IP-Namen und die DNS-Strukturen, weil sie alle auf dem Prinzip der Zentalismen aufsetzen.

Bei den IP-Adressen unterscheiden wir zwischen den globalen und lokalen Adressen. Die globale Adresse, die Adresse des lokalen Netzwerks, wird aus den geografischen Koordinaten des WCS84 (World Coordinate System) abgeleitet. Die lokale Adresse ist ausschliesslich dem lokalen Netzwerk vorbehalten und interessiert uns ausserhalb nicht. Das DNS-System (Domain Name System) zur Uebersetzung des Namens in eine numerische Adresse wird ebenfalls regional bis lokal organisiert.

Da in jedem lokalen Netzwerk die fuer sie notwendigen Server-Ressourcen vorhanden sind, geht es nur noch um den Austausch der daten ueber geografische Distanzen ausserhalb der lokalen Netzwerke. Bei etwa 12.000 Gemeinden in der Region Deutschland sind mindestens genausoviel Server in dieser Region vorhanden. Normalerweise mehr, weil jeder Ort kollektiver Prozesse seinen egenen Server installieren kann, da wir grundsaetzlich nur mit symetrischer Transferkapazitaet arbeiten. Jeder Server hat als globale Adresse die seines lokalen Netzwerks mit der jeweiligen lokalen Adresse innerhalb des lokalen Netzwerks.

Wenn wir nun dieses Konzept, das ausschliesslich auf den Anforderungen der Telekommunikation ruht, diesem Geschwaetz von Gaia-X und europaeische "Cloud"-Server entgegen stellen, dann sehen wir sofort den Unsinn, den die gfp-Redaktion wieder von sich gibt. So verstehe ich auch, warum sie die AutorInnen nicht mit Namen angeben, weil jeder vernuenftig denkende Mensch sich ueber diesen produzierten Schwachsinn nur noch schaemen kann.

mit lieben gruessen, willi
Asuncion, Paraguay


Die europäische Cloud

Deutschland und Frankreich starten Initiative "Gaia-X" für eine europäische Cloud-Struktur. Ziel: Unabhängigkeit von den USA.

BERLIN/PARIS (Eigener Bericht) - Mit der gestern offiziell gestarteten Initiative "Gaia-X" wollen Deutschland und Frankreich eine "europäische" Alternative zu den großen US-amerikanischen und chinesischen Cloud-Dienstleistern schaffen. Hintergrund ist, dass Cloud-Dienste immer mehr an Bedeutung gewinnen; deutlich wurde dies vor allem nach dem Covid-19-Shutdown, der zahlreiche Unternehmen zur Umstellung auf Onlineheimarbeit und damit zur Nutzung von Cloud-Diensten zwang. Aus Furcht vor Wirtschaftsspionage hatten sich zahlreiche Unternehmen bislang geweigert, Cloud-Dienste von Amazon, Microsoft, Google oder Alibaba in größerem Umfang zu nutzen - dies auch, weil ein US-Gesetz aus dem Jahr 2018 es den US-Behörden unter bestimmten Umständen erlaubt, auf Daten zuzugreifen, die US-Konzerne bei sich speichern. Zudem hieß es mit Blick auf die Praktiken der Trump-Administration, man sei, wenn man nicht über eine eigene Cloud-Struktur verfüge und auf US-Firmen angewiesen sei, politisch erpressbar. Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier nennt die Initiative die "vielleicht wichtigste digitale Bestrebung Europas in dieser Generation".
Auf dem Weltmarkt kaum präsent

Konzerne aus Deutschland sowie aus anderen europäischen Ländern sind auf dem Weltmarkt für Cloud-Dienste so gut wie nicht präsent. Zwar bieten deutsche Unternehmen, so etwa die Deutsche Telekom, Cloud-Speicherplatz und -Rechenleistung an. Allerdings können sie mit Konzernen aus den Vereinigten Staaten und aus China nicht mithalten, die zusätzlich Software aller Art offerieren, darunter nicht zuletzt solche, die Künstliche Intelligenz (KI) nutzt. Weltmarktführer ist zur Zeit Amazon mit einem Anteil von 45 Prozent (2019); es folgen Microsoft (17,9 Prozent), Alibaba aus China (9,1 Prozent) und Google (5,3 Prozent).[1] Deutsche Unternehmen, aber auch deutsche Behörden sind bei ihrer Cloud-Nutzung deshalb vor allem auf Dienste US-amerikanischer, eher selten auch chinesischer Firmen angewiesen. Volkswagen etwa arbeitet bei der Cloud-Vernetzung seiner weltweit 122 Fabriken mit Amazon zusammen und kooperiert bei der Cloud-Vernetzung seiner Fahrzeuge mit Microsoft. Sogar die Bundespolizei speichert ihre Bodycam-Aufnahmen in der Amazon-Cloud.[2]
Der Lockdown-Boom der Cloud

Der Lockdown während der Covid-19-Pandemie hat die Bedeutung von Cloud-Diensten rasant in die Höhe schnellen lassen. "Unternehmen auf der ganzen Welt" hätten "dringend Zugang zu flexibler Rechenkapazität" benötigt, um Onlineheimarbeit zu ermöglichen oder den Onlinehandel auszubauen, hält der Chefanalyst der US-Marktforschungsfirma Canalys, Matthew Ball, fest.[3] Größere Bekanntheit hat etwa das US-Unternehmen Zoom erreicht, das Cloud-Videokonferenzen ermöglicht. Insgesamt stieg der Umsatz der Branche allein im ersten Quartal 2020 um stolze 34 Prozent auf 31 Milliarden US-Dollar an. Zugleich gewann die Debatte über die Risiken, die mit Cloud-Diensten verbunden sind, spürbar an Schwung. Auch dies betraf unter anderem Zoom; das Unternehmen wurde wegen Sicherheitslücken und umstrittener Datenschutzpraktiken weithin kritisiert.[4]
Keine Sicherheit

In puncto Sicherheit ist dabei auch von Interesse, dass ein US-Gesetz, der im März 2018 ratifizierte "Cloud Act", es den US-Behörden unter bestimmten Umständen erlaubt, auf Daten zuzugreifen, die US-Firmen gespeichert haben - dies sogar dann, wenn sich die entsprechende Infrastruktur im Ausland befindet.[5] Zoom-Videokonferenzen werden auch in der internationalen Politik genutzt; so ist dokumentiert, dass Zoom auch bei Treffen der gewöhnlich vertraulich tagenden Eurogruppe zum Einsatz kam.[6] Das Auswärtige Amt hat die Nutzung von Zoom auf dienstlichen Geräten ausdrücklich untersagt. Allerdings räumt das Ministerium ein, "ein völliger Verzicht auf die App" sei zur Zeit kaum durchsetzbar, weil er die Kommunikation mit Kooperationspartnern im Ausland "massiv erschweren" würde.[7] Deshalb sei aktuell die Nutzung von Zoom auf privaten Computern "krisenbedingt gestattet, wo dies unumgänglich für die Aufgabenerfüllung ist". Berichten zufolge bemüht sich das Auswärtige Amt dabei bereits um eine "vertrauenswürdigere" Alternative zu den Videokonferenzangeboten des US-Unternehmens.[8]
Politisch erpressbar

Sicherheitsbedenken sind einer der Gründe, die Berlin veranlasst haben, sich um die Schaffung einer deutsch-europäischen Cloud-Struktur zu bemühen. Dabei geht es keinesfalls nur um Sorgen der Politik; die Bedenken werden nicht zuletzt von vielen mittelständischen Unternehmen geteilt, die bei einer Nutzung US-amerikanischer oder chinesischer Cloud-Produkte Industriespionage befürchten. Hinzu kommen Warnungen, Deutschland sowie die EU seien ohne eine eigene Cloud-Struktur erpressbar. Bereits im vergangenen Jahr erklärte Karl-Heinz Streibich, Präsident der Deutschen Akademie der Technikwissenschaften (Acatech), er halte es "für zumindest denkbar", dass "unsere Abhängigkeit von wenigen Cloud-Anbietern politisch als Druckmittel ... eingesetzt werden" könnte: "Können wir ausschließen, dass eines Tages gedroht wird, die Cloud-Dienste zu kappen, wenn Deutschland nicht die Nord-Stream-2-Leitung ebenfalls kappt?"[9]
Gaia-X

Bundeswirtschaftsminister Peter Altmaier hatte die Gründung einer eigenen Cloud-Struktur in der EU bereits vergangenen Oktober angekündigt: "Die europäische Wirtschaft benötigt dringend eine Infrastruktur, die Datensouveränität und breite Datenverfügbarkeit bei hohen Sicherheitsstandards gewährleistet".[10] Am gestrigen Donnerstag haben nun Altmaier und sein französischer Amtskollege Bruno Le Maire gemeinsam den offiziellen Start des Projekts mit dem Namen "Gaia-X" bekanntgegeben. Demnach werden 22 Unternehmen - jeweils elf aus Deutschland und aus Frankreich - eine internationale Stiftung nach belgischem Recht gründen, die die Gaia-X-Infrastruktur tragen soll.[11] Dabei werden, wie der Beauftragte im Bundeswirtschaftsministerium für die digitale Wirtschaft, Thomas Jarzombek, erklärt, Dienste verschiedener Unternehmen zu einem "homogenen, nutzerfreundlichen System" vernetzt; Gaia-X soll vor allem die verbindenden Elemente entwickeln, darunter, wie berichtet wird, "technische Standards, Schnittstellen für den Datenaustausch, zudem ein Identitätsmanagement, ein Abrechnungssystem sowie eine Benutzeroberfläche".[12] Insgesamt sind bislang rund 300 Firmen eingebunden; zu den 22 Trägerunternehmen zählen auf deutscher Seite die Deutsche Telekom, SAP sowie Siemens, auf französischer Seite Orange Business Services sowie Atos International, der Konzern, der bis 2019 vom heutigen EU-Binnenmarktkommissar Thierry Breton geleitet wurde.
Die "digitale Souveränität"

Während der Bundesverband der Deutschen Industrie (BDI) Gaia-X als einen "wichtige[n] Schritt" lobt, "um der Wirtschaft in Europa einen kräftigen Digitalisierungsschub zu verleihen", nennt Wirtschaftsminister Altmaier das Projekt die "vielleicht wichtigste digitale Bestrebung Europas in dieser Generation".[13] Bereits Ende 2019 hatte es in Strategiepapieren von CDU und von SPD jeweils geheißen, es gehe um die Sicherung der "digitalen Souveränität".[14] Laut aktuellem Plan soll Gaia-X bereits Anfang 2021 zumindest teilweise nutzbar sein.



[1] Kai Schmerer: Alibaba festigt Stellung als drittgrößter Cloud-Anbieter. zdnet.de 28.04.2020.

[2] S. dazu Deutschland auf Aufholjagd (I).

[3] Dietmar Müller, Elke Witmer-Goßner: Dank Corona: Cloud-Ausgaben erreichen neues Rekordhoch. cloudcomputing-insider.de 11.05.2020.

[4] Bundesdatenschutzbeauftragter rät von Videochat-Dienst Zoom ab. br.de 24.05.2020.

[5] S. dazu Deutschland auf Aufholjagd (I).

[6] Alexander Fanta: Eurogruppe tagte mit umstrittener App Zoom. netzpolitik.org 09.04.2020.

[7], [8] Dietmar Neuerer, Moritz Koch: Auswärtiges Amt untersagt Nutzung von Zoom auf dienstlichen Geräten. handelsblatt.com 08.04.2020.

[9] "Europa braucht einen eigenen Cloud-Anbieter". Frankfurter Allgemeine Zeitung 12.07.2019.

[10] Altmaier: "Wir brauchen eine eigene europäische Dateninfrastruktur!" bmwi.de 28.10.2019.

[11] Bastian Benrath, Christian Schubert: "Die wichtigste digitale Bestrebung Europas in dieser Generation". faz.net 04.06.2020.

[12] Moritz Koch, Thomas Hanke, Christof Kerkmann: "Moonshot" Gaia-X - Die wichtigsten Fragen und Antworten zur europäischen Cloud. handelsblatt.com 04.06.2020.

[13] Bastian Benrath, Christian Schubert: "Die wichtigste digitale Bestrebung Europas in dieser Generation". faz.net 04.06.2020.

[14] Carsten Knop: Warum Europa sich digitale Souveränität erkämpfen muss. faz.net 26.02.2020.

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