Aufklärung, Kommunikation und MedienTomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?


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willi uebelherr
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Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

Liebe freunde,

mit diesem Beitrag hat Tomas Strobel seinen Unmut und seine Enttaeuschung am "Aufstehen Stammtisch" ueber Sahra Wagenknecht und ihr mitwirken am Fokus als Autorin zum Ausdruck gebracht. Diese Erklaerung von ihm habe ich aufgegriffen und so eine laengere Diskussion provozieren koennen, bis Tomas Strobel dann das handtuch geworfen hat. Diese Kommentare folgen nun nacheinander.

mit lieben gruessen, willi
Asuncion, Paraguay


Sahra Wagenknecht, quo vadis?

SW´s Vorbilder sind Mélenchon in Frankreich und Corbyn in GB. Sie arbeitet verschiedene Optionen ab, um eine personenzentrierte Bewegung auch in D auf die Beine zu stellen.

Partei "Die Linke"

Von der Linkspartei hat sie sich innerlich mutmaßlich schon vor längerer Zeit verabschiedet. Mit ihr allein als Teil des konventionellen Parteienspektrums lässt sich aus ihrer Sicht in diesem Land nichts Wesentliches verändern.
Dennoch lag ihr Fokus mutmaßlich weiterhin darauf, Veränderungen maßgeblich über das Parlament herbeizuführen, was nunmal ohne eine Partei nicht geht.

Aufstehen

Aufstehen war ihr erster Anlauf, eine auf sie persönlich bezogene Bewegung zu initiieren.
Breit aufgestellt über alle Parteien mit linken Anteilen und linkem Wählerpotential sollte daraus eine auch im Parlament mehrheitsfähige Bewegung werden, mutmaßlich mit dem Gedanken im Hinterkopf, aus aufstehen nach der zunächst intendierten Sammlungsphase eine "Bewegungs-Partei" zu machen, mit SW an der Spitze.

Das ist gründlich in die Hose gegangen.

Als aufstehen im Frühjahr 2019 aufgrund erheblichen Politklüngels, gezielt destruktiv eingesetzter Kräfte innerhalb der Bewegung als auch einer zur Selbstorganisation bedauerlicherweise unfähigen Bewegung schon fast vor die Wand gefahren war, rief SW die Politprominenz auf, sich zurückzuhalten und die Bewegung der Basis "zu übergeben".
Gleichzeitig inthronisierte sie ihre Büroangestellte Paula Rauch mit dem Auftrag, dafür zu sorgen, dass ihr aufstehen nicht auf die Füße fällt.

Konkret hieß das, aus aufstehen entweder eine folgsame Kampagnentruppe zu machen oder die Bewegung sukzessive zu beerdigen, damit am Image von SW nichts von diesem Fehlschlag kleben bleibt.
Von dieser Motivation getragen war mutmaßlich auch ihre "vornehme Zurückhaltung" in der Anfangsphase, in der zunächst überhaupt noch nicht -jedenfalls nicht sicher genug- erkennbar war, wohin aufstehen sich entwickeln wird.
Dass der Bewegung darüber hinaus kein "Eigenleben" zugestanden wurde, sondern ihr vielmehr alle dafür erforderlichen Ressourcen vorenthalten wurden, nämlich
der Email-Verteiler der 180.000 und
die Spendengelder in sechsstelliger Höhe, die dann zugunsten des Personals der Linkspartei verbrannt wurden,

dürfte maßgeblich darauf zurückzuführen sein, auf jeden Fall zu verhindern, dass sich aus aufstehen heraus doch noch eine Partei als ihr parlamentarischer Arm ausgründen könnte.
Für aufstehen bleibt jedenfalls zu hoffen, dass die restlichen Aktiven die Bewegung wieder anschieben, denn ihre Notwendigkeit ist offenkundiger denn je.

Die "Mitte der Gesellschaft"

Derweil geht SW auf zu neuen Ufern. Im November 2019 konnte sie erstmals höhere Beliebtheitswerte verbuchen, als Dauerbrenner Angela Merkel.
Seither tingelt sie durch alle Medien rauf und runter, egal ob Küche oder Kultur, Böttingers Quasselrunde oder Polit-Talkshows, Playboy oder (L)ocus:
SW marschiert geradewegs in die "Mitte der Gesellschaft".
"Die Linke" und erst recht "aufstehen" kommen dabei -wenn überhaupt- allenfalls noch als Reminiszenzen an ihre Vergangenheit vor.
Mehr denn je zieht sie das ganze als eine One-Woman-Show durch.

Bevorzugtes Ziel ist jetzt der "Mittelstand", den sie vorzugsweise als den "unteren Mittelstand" anspricht, aber zum Mittelstand gehört bei ihr auch sowas grundverschiedenes, wie mittelgroße Unternehmen, die auch gerne mal ein hundert Beschäftigte haben können.
Auch ihr übriges Wording ist -schaut man sich ihre erste Kolumne im Locus an- perfekt an die Weltsicht des -oberen- Mittelstandes angepasst.
Prompt wird heftig darüber gestritten, was SW dazu um- oder antreibt: Ist es persönliche Eitelkeit oder ihre strategische Positionierung im Dienst an der guten Sache?
Wie auch immer: Am Ende des Tages zählt, was sie damit bewirkt.

Zugunsten von Locus dürfte sie damit zunächst eine Erhöhung der Auflage bewirken. Bereitwillig spendiert SW diesem Drecksblatt einen Freifahrtschein ins linksliberale Spektrum, das sich bisher für Locus nur als abschreckendes Beispiel interessiert haben dürfte. Jetzt kann Locus sich in SW´s Reputation sonnen.
Der angesprochene "Mittelstand" -so er denn überhaupt politisch und nicht nur mit dem Geldbeutel denkt- dürfte sich durch SW´s Wording in seiner Sicht der Welt bestätigt fühlen:
Da ist die Rede von der "Abhängigkeit und Verletzbarkeit" der nationalen "Volkswirtschaft", von der "exportabhängigen Wirtschaft wie die unsrige", von "Schutzmaßnahmen für die heimische Wirtschaft", von "chinesischen Dumpingexporten" und "angelsächsischen Finanzinvestoren", die die heimische Wirtschaft bedrohen, von Unternehmen, wie den "Hidden Champions", die " in unserer Volkswirtschaft (...) gut bezahlte Arbeitsplätze bieten" etc.

Die verbale Anbiederung an den Mittelstand gipfelt in den Aussagen,
"wer sich schutzlos Importen aussetzt, die die eigenen Standards unterlaufen, ist nicht weltoffen, sondern dumm."
und
"Wir müssen industrielle Wertschöpfung zurück nach Europa holen und in Schlüsselbranchen wie der Digitalwirtschaft unsere Abhängigkeit überwinden."

All dem im Weg stehe der Finanzkapitalismus und die transnational operierenden Konzerne, die mit ihren globalisierten Wertschöpfungsketten den Mittelstand -als die man in diesem Kontext wohl eher den oberen Mittelstand, die "guten Kapitalisten" vermuten darf- in den Ruin trieben.

All diese Wundertaten möchte SW durch Kapitalverkehrskontrollen und Schutzzölle vollbringen.
Dazu sollen wir uns ein Beispiel an China und diversen anderen Staaten nehmen, die ihren Weg und ihren Reichtum gerade durch Protektionismus gegenüber zu starken Konkurrenten gemacht hätten.
Abgesehen davon, dass mich das ewige "WIR" fürchterlich stört,

weil es die nach wie vor bestehenden Klassengegensätze zukleistert, statt sie zu brandmarken,
weil es eine wirtschaftspolitische Solidarität zwischen den deutschen abhängig Beschäftigen und ihren deutschen

Ausbeutern einerseits gegenüber dem gemeinsamen Feind in Gestalt der transnationalen Superkonzerne andererseits beschwört -mit der gleichen Argumentation hat übrigens Kanzler Schröder seine SPD unter das Joch der Agenda 2010 gepresst! - weil es das wirkliche "WIR" negiert, nämlich das WIR der Menschlichkeit, das "WIR" der sozialen Gerechtigkeit für die überwältigende Mehrheit der Menschen auf dem Planeten,

also abgesehen davon, fliegen hier einige Dinge kreuz und quer und für mich nicht mehr nachvollziehbar durcheinander. Vielleicht bin ich aber auch nur zu inkompetent, um zu verstehen, was an positivem oder gar politisch linkem Gedankengut SW in ihrer Kolumne an den Mann und die Frau des Mittelstandes bringen möchte.
Was soll das werden?

Asterix und Obelix gegen das römische Reich?
Wie zuletzt der Zollkrieg USA gegen China vor Augen geführt hat, sind Zölle keine Einbahnstrasse. Sie veranlassen Gegenmaßnahmen.
Zölle muss man sich leisten können.

Wirtschaftsschwache Staaten z.B. in Afrika können sich keine Einfuhrzölle leisten, weil dann z.B. die EU ihre Agrarprodukte nicht mehr abnimmt. Deswegen sind die Schwächeren stets erpressbar durch die Stärkeren.
Oder soll die BRD gerade als "starke Nation" die Zollkarte spielen? Das klingt an, wenn SW beispielsweise Zölle gegen Solarpanele zu "Dumpingpreisen" fordert.
Wozu hätten solche Zölle geführt?

Zunächst wohl dazu, dass es auf deutschen Dächern weitaus weniger Solaranlagen geben würde, als sie durch die Verbilligung der Produktion ermöglicht wurden.
Desweiteren dazu, dass ein Haufen chinesischer Arbeiter*innen ihre Arbeit, verloren hätten. So geht Solidarität in der Arbeiterklasse?

Will SW gleich die ganze kapitalistische Wertschöpfung zum nationalen Privileg der deutschen Industrie machen, auf dass die Löhne in deutschen Euro statt in chinesischen Renminbi ausbezahlt werden?
So geht Nationalchauvinismus in Reinkultur.

Im übrigen beruht die nunmehrige Weltmachtstellung Chinas nicht in erster Linie auf protektionistischen Maßnahmen, sondern schlicht auf den fleißigen und vor allem billigen Händen von einer halben Milliarde chinesischen Arbeiter*innen und dazu einem gehörigen Maß an Vernutzung von Umweltressourcen.

Nicht Schutzzölle haben dem chinesischen Markt auf die Sprünge geholfen, sondern die Profitgier eben der westlichen Weltkonzerne, die SW bekämpfen will, die bereit waren, Wissenstranfer nach China zu leisten, um im Gegenzug chinesische Arbeitskraft und damit Wertschöpfung massenhaft zu Dumpingpreisen einzusammeln.

Dass das westliche Kapital damit am langen Ende seine eigene Konkurrenz großgezogen hat, spielte keine Rolle für das Einzige was zählt: Der kurzfristig erzielbare Profit. Zur Not kann man China ja auch wieder in die Steinzeit zurückbomben und die nächste Runde profitablen Aufbaus drehen.

Soll das das Vorbild für die deutsche Mittelstandswirtschaft sein?
Wenn nicht das, was dann?
Mir scheint, da gehen zwei Dinge ganz gehörig durcheinander:
Das eine ist der Schutz von schwachen nationalen Märkten durch Einfuhrzölle, die diese Staaten erheben, um ihre nicht konkurrenzfähige Wirtschaft zu schützen.

Solcherart Zölle purzeln derzeit weltweit runter, was das Zeug hält -Stichwort: Freihandelsabkommen-, und zwar nicht, weil die schwachen Staaten das gerne möchten, sondern weil sie durch eine globale Wirtschaftsoligarchie unausweichlich dazu gepresst werden.

In der Ära konkurrenzloser Großmonopole sind die Zeiten vorbei, in denen man sich noch mit Schutzzöllen behelfen konnte, weil im Rest der Welt noch hinreichend Konkurrenz bestand. Mittlerweile ist so ziemlich jede nationale Wirtschaft erpressbar.

Etwas ganz anderes sind "Schutzzölle", wie sie bei SW ebenfalls anklingen, nämlich solche Zölle, die man auf Produkte erheben könnte, die mit unterbezahlter Arbeit oder unter Zerstörung der Umwelt hergestellt worden sind. Solche Zölle wären übrigens kein Zeichen von Schwäche, sondern von Stärke, nämlich der Stärke, Schwächeren die gewünschten Produktionsbedingungen aufzuzwingen.
Doch wozu führt das?

Abstrakt betrachtet heißt das zunächst mal nur, dass sich der Staat, der derartige Zölle erhebt, anstelle eines Konzerns an den genannten Mißständen bereichert, indem mit dem Zoll dieser statt jene den Profit aus schlecht bezahler Arbeit einsackt.

Der Vorteil ist sehr einseitig. Deutsche Arbeiter*innen können ihr Lohnniveau halten, Produktion würde wieder verstärkt hier stattfinden. Die unterbezahlten Arbeiter in unterentwickelten Ländern gingen komplett leer aus. Sehr solidarisch, so von Arbeiter zu Arbeiter.

Außerdem würden die Lebenshaltungskosten hier immens steigen, was dann mit den Zöllen aufzufangen wäre, die der Staat vorher kassiert hat.

Oder die Löhne im globalen Süden würden steigen und die Umwelt weniger zerstört. Dann würden die Zölle ihren Zweck erfüllen und nicht mehr anfallen. Die Produkte aus dem globalen Süden würden im globalen Norden gekauft und die Lebenshaltungskosten würden enorm steigen, ohne mit Zöllen gegenfinanziert zu werden. Gerechter wäre das ohne Zweifel.

Dann sind die Leidtragenden -national betrachtet- die Ärmsten hier, die sich dann die Butter auf dem Brot nicht mehr leisten können, es sei denn, es käme auf nationaler Ebene zu einem Reichtumgsausgleich, sprich: sowas wie einer Revolution.

Pampert man nun auch noch die unterentwickelten Länder mit Wissenstransfer, würde das zu einer weiteren Ausweitung von Wegwerfproduktion, zu noch mehr Überproduktion führen, an der dieser Globus ohnehin schon zugrunde zu gehen droht.
Die Folge unter den Bedingungen eines fortbestehenden Kapitalismus wäre ein globales Lohndumping-Rattenrennen aller Proleten aller Länder.

Lediglich die Startchancen für das Rattenrennen wären ein bißchen gerechter geworden. Die Vernutzung der Umwelt würde zwar qualitativ abnehmen, aber quantitativ zunehmen.
Die Wertschöpfung würde immer noch akkumuliert, führte damit immer noch zu immer mehr und immer stärker konzentriertem Reichtum und damit zu einer Reichtumsoligarchie, die SW mit ihrem Protektionsmodell gerade zu verhindern sucht.

Das Ganze erinnert bestenfalls an einen grün angestrichenen Kapitalismus, der gezielt als Motor für qualitatives Wachstum eingesetzt würde.
Aber bei immer weiter laufender Akkumulation würden irgendwann auch die tollsten und umweltfreundlichsten Erfindungen nichts mehr nutzen.
Warum? Weil sich, bedingt durch die weitere Umverteilung, niemand mehr das Zeug leisten kann, das er/sie vorher selbst produziert hat.
Gewonnen wäre: Nichts.

Verloren scheint eine antikapitalistische Sahra Wagenknecht, die offenbar inzwischen glaubt, sie könnte die Welt mithilfe eines "gebändigten" Kapitalismus zu einem besseren Ort machen, wenn man nur schön säuberlich zwischen den "guten Kapitalisten" und den "bösen Kapitalisten" unterscheidet.
Kommt mir irgendwie bekannt vor.

Wo liegen meine Denkfehler? Ich lasse mich gerne belehren.

p.s.: Warum sich die allmächtige globale Wirtschaftsoligarchie das Modell, billig im globalen Süden einzukaufen und teuer im globalen Norden zu verkaufen, kaputt machen lassen soll, hat mir auch noch niemand erklärt. Im Wettbüro würde ich da eher auf das römische Reich als auf das kleine gallische Dorf wetten.


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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

meine 1. antwort:

Tomas Strobel, irgendwie geht es eher bei dir etwas durcheinander als bei Sahra Wagenknecht. Am ende schreibst du:

"Verloren scheint eine antikapitalistische Sahra Wagenknecht, die offenbar inzwischen glaubt, sie könnte die Welt mithilfe eines "gebändigten" Kapitalismus zu einem besseren Ort machen, wenn man nur schön säuberlich zwischen den "guten Kapitalisten" und den "bösen Kapitalisten" unterscheidet."

Das ist nicht "inzwischen", das war schon immer ihre position. Sie ist vom Kapitalismus und den "Markt"-Konzepten ueberzeugt. Eine demokratische Selbstorganisation der bevoelkerung war nie ihr interesse. Deswegen ist sie auch Anhaengerin von Ludwig Erhard.

Und in ihrer haltung zur "Staatsraeson Israel" wird deutlich, dass sie keine ethisch-moralischen probleme mit Voelker-Mord und -Vertreibung hat.

Ziemlich am anfang zitierst du SW:
""Wir müssen industrielle Wertschöpfung zurück nach Europa holen und in Schlüsselbranchen wie der Digitalwirtschaft unsere Abhängigkeit überwinden."

Wenn wir den Unsinn mit "industrieller Wertschoepfung" weglassen dann bleibt richtiges uebrig. Die regionale technologische Unabhaengigkeit. Nur, das gilt dann auch fuer Alle. Aber davon will SW nichts wissen. Ihr geht es nur darum, den Vorteil gegenueber den noch schwaecheren auszunuetzen.

Die Abhaengigkeiten in der herstellung datenvearbeitender und infomationstechnischer Systeme ist ja nicht dadurch entstanden, dass die menschen in anderen regionen es besser konnten. Sondern dass sytematisch eine selbstaendige entwicklung in der region deutschland blockiert wurde. Das gilt auch fuer die Photovoltaik Technologie.

SW orientiert sich schon immer auf die privaten Geld- und Finanz-Systeme und fuer sie ist die private Reichtumsakkumulation ein Motor fuer gesellschaftliche Entwicklung. Da ist sie Gerhard Schroeder sehr nahe. Deswegen hat sie diese "rote Linien im Sand" nicht, denen du scheinbar folgst. Sie hat schlichtweg ein anderes Konzept von Gesellscaft. Und bei ihr gehoert die soziale Skalierung immer dazu.

Nur vielleich etwas milder, sofern die Situation es zulaesst.


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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

antort von Tomas:

1. "Das ist nicht "inzwischen", das war schon immer ihre position."
Nein, war es nicht. Sie war z.B. mal Vorsitzende der Kommunistischen Plattform in der Linkspartei.

Auch im Anschluss daran ist ihr politisches Wirken nur so zu verstehen, dass sie stets versuchte, Mehrheiten unter Umgehung der Seuche des Antikommunismus auch im sozialpolitisch fortschrittlichen bürgerlichen Lager zu suchen.

Zu ihren Gunsten unterstelle ich, dass soziale Gerechtigkeit, Frieden, Umweltschutz und Demokratie subjektiv immer noch die Triebfedern ihres politischen Handelns sind, genauso, wie ich das jedem unterstelle, der fälschlicherweise den Kapitalismus für reformierbar hält oder jemandem, der z.B. rein aus der christlichen Lehre heraus für Frieden und Gerechtigkeit eintritt, ohne sich überhaupt Gedanken über das Übel des Kapitalismus zu machen (wozu man heutzutage allerdings schon ziemlich mit Blindheit geschlagen sein muss).

2. "Sie ist vom Kapitalismus und den "Markt"-Konzepten ueberzeugt. (...) Deswegen ist sie auch Anhaengerin von Ludwig Erhardt."

Sie ist nicht vom Kapitalismus überzeugt, sondern von Marktkonzepten. Das ist etwas völlig unterschiedliches. Einen "Markt" gibt es sogar im staatsmonopolistischen Sozialismus mit seinem Volkseigentum an den Produktionsmitteln noch, ebenso, wie es da auch noch ein Leistungsprinzip gibt.

Dass sie Anhängerin von Erhard ist, glaube ich nicht. Ich halte das Anführen der sog. Sozialpartnerschaft für eine Taktik, mit der sie versucht darzulegen, dass man dem Kapitalismus mit politischen Kämpfen auch etwas abringen kann, um damit die überwiegend antikommunistisch eingestellte Bevölkerung überhaupt mal dazu zu bringen, den Kampf um ihre Interessen aufzunehmen, getragen von der Hoffnung, dass sie in diesem Kampf Erkenntnisse über die Falschheit des System sammelt.
Diesen Ansatz finde ich zwar respektabel, aber falsch, weil sich seine Protagonisten am Ende des Tages, wenn sich das Versprechen der Sozialpartnerschaft unweigerlich ein weiteres Mal als Lüge herausgestellt haben wird, damit selbst demontieren und das in sie gesetzte Vertrauen enttäuschen, siehe Schicksal der SPD.

3. "Wenn wir den Unsinn mit "industrieller Wertschoepfung" weglassen dann bleibt richtiges uebrig. Die regionale technologische Unabhaengigkeit."

Industrielle Wertschöpfung ist kein Unsinn, sondern Resultat des Einsatzes von Arbeitskraft.

"Regionale technologische Unabhaengigkeit" ist eine Schimäre aus der Vergangenheit des Frühkapitalismus: Früher: Jedem Dorf seinen Schmied, heute: jeder Stadt ihren Chipproduzenten".
Das ist maschinenstürmerische Fortschrittsverleugnung.
Dein dörflicher Ansatz ist ja hinreichend bekannt. SW ist da dann doch schon den einen oder anderen Schritt weiter, auch wenn die daraus von ihr gezogenen Schlussfolgerungen der Steuerbarkeit über Schutzzölle und Kapitalverkehrskontrolle aus meiner Sicht in sich inkonsistent sind.

4. "....und fuer sie ist die private Reichtumsakkumulation ein Motor fuer gesellschaftliche Entwicklung."

Dass sie auch bis in die Gegenwart hinein noch der Motor sein kann, hat die KP China ziemlich eindrucksvoll unter Beweis gestellt mit ihrem Modell des Kapitalismus im Wasserglas der kommunistischen Partei.
Sowas in der Art dürfte es wohl auch sein, was SW vorschwebt. Möglicherweise deswegen hat sie sich explizit von den "undemokratischen Begleiterscheinungen" in China distanziert. Was bliebe, wäre ein Staat, der den Kapitalismus regiert, statt ein Kapitalismus, der den Staat regiert.

Da gibt´s nur einen signifikanten Unterschied: China hat eine Revolution hinter sich, der Kapitalismus westlicher Prägung dagegen nicht.

Die chinesische Staatsführung hätte mutmßlich tatsächlich die Macht, von heute auf morgen alle Milliardäre des Landes aufzufordern, ihren Zaster abzugeben, nach dem Motto: "Der kapitalistische Turbo hat seine Schuldigkeit getan, wir haben jetzt die Power, einen sozialeren Weg zu gehen."

Sollte SW ein ähnliches Ergebnis auch für Deutschland bzw. Europa vorschweben, wären Zölle und Kapitalverkehrskontrolle vielleicht erste Schrittchen auf dem Weg dahin.

Erheblich naheliegender als Zölle wären dann allerdings zunächst mal Maßnahmen der Abschöpfung von leistungslosen Kapitalerträgen, abgesichert durch eine Kapitalverkehrskontrolle. Das wären etwa die Körperschaftssteuer, die Vermögenssteuer, die Börsensteuer und die Besteuerung der Umsätze internationaler Konzerne in Deutschland statt in Irland oder auf den Kaimaninseln.

Immerhin haben wir formal eine rechtsstaatliche Demokratie. Das ist eine Errungenschaft, die es zu nutzen und auszubauen gilt.

Mit den richtigen Leuten und den ausreichenden Mehrheiten im Parlament kann man so ziemlich alles machen, bis hin zum Volksentscheid über eine gänzlich neue Verfassung, den durchzuführen uns ja bei Erlass des Grundgesetzes für den Fall der Wiedervereinigung sogar versprochen worden war.
Selbst das jetztige Grundgesetz würde schon für einen veritablen Sozialismus taugen.
Das zeigt ein weiteres Mal, wo die eigentlichen Schwierigkeiten liegen, nämlich darin, für so etwas die entsprechenden Mehrheiten zusammenzubekommen.

An der Stelle sehe ich weitere erhebliche Differenzen zu SW:
Die Zeit ist reif für grundsätzlichere Änderungen. Die Zeit ist reif, Vergesellschaftung zu fordern, flankiert von Kapitalverkehrskontrolle, Körperschaftssteuer, Vermögenssteuer, Börsensteuer etc. für die noch nicht vergesellschaftete und ausländische Unternehmen.

Das Eigentum an Aktien dieser Unternehmen wird dann keine Erträge mehr bringen, so dass ausnahmsweise mal der Staat dieselben vor allem von Großaktionären äußerst günstig einsammeln kann.

Die Sparstrumpfaktien des Kleinbürgertums mögen ja vermögenserhaltend oder mit einem kleinen Bonus ausgezahlt werden. Das würde dann auch sicher diese Kreise freuen, so dass sie durchaus für ein solches Modell zu erwärmen wären.

Beispiel gefällig?
Wie wär´s mit Daimler-Benz? So hohe Steuern nebst Kapitalverkehrskontrolle, dass den Saudis der Spaß an ihrer Beteiligung vergeht?
Die werden zu Dumpingpreisen aus der Aktie flüchten!
Dann wird für ´nen Appell und ´nen Ei vergesellschaftet und es werden Wasserstoffautos gebaut.
Bei dem Dreck, den die derzeit ausstoßen, Abgasbetrug inklusive, gibt´s genügend Gründe für eine juristisch saubere Vergesellschaftung.

Und wenn die Aktionäre renitent sind und aus lauter Trotz nicht verkaufen wollen?
Auch nicht schlimm. Dann kann man das, was man oben an Erträgen abgesaugt hat, unten wieder investieren, etwa in Form von Förderprogrammen, die es nur für Wasserstoffautos gibt.

Alles was fehlt, ist Volkes Wille.


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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

meine 2. antwort an Tomas

Tomas Strobel, danke fuer deine ausfuehrliche antwort. Ich will mich jetzt nicht auf alle details einlassen, sondern eher auf einige grundsaetzliche argumente von dir mich beziehen.

"Alles was fehlt, ist Volkes Wille."

Da stimme ich dir sehr zu und das ist wohl das hauptproblem, mit dem wir es zu tun haben. Da bietet sich ja immer an, auf die "grosse Not" zu warten. Und soweit ich das sehe, willst auch du das nicht, weil es sehr offen ist, was dann entsteht.

Der andere weg ist, die schroffen Extremas etwas abzuschwaechen, dass es zwar genauso weiter geht, aber etwas abgeschwaechter. Soweit ich das sehe, vertritt Sahra Wagenknecht und du diese Position. So verstehe ich auch, warum du so enttaeuscht bist.

Meine Position ist eine ganz andere. Grosse transformationen entstehen immer aus kleinen Initiativen, die wir auch "Keimformen" nennen koennen. Dabei versuchen menschen, eine lebensweise entstehen zu lassen, die ihren Perspektiven und Visionen nahe kommen, zumindest sich in diese richtung orientieren.

Der kern des ganzen sind dabei nicht Geld-Fluesse oder Kapital-Stroeme, sondern selbstorganisierte lebensumgebungen, die uns aus dem geldzwang herausnehmen. Geldsysteme schieben sich immer zwischen Produktion und Konsumtion. Sie trennen die Einheit von Produktion und Konsumtion, weil produzenten immer auch Konsumenten sind, waehrend konsumenten nicht notwendig Produzenten sind. So entsteht das parasitaere Konsumententum, das mit der Produktion nichts zu tun haben will und nur ueber das Geldsystem existieren will.

Und nun zum "Volkes Wille"? Wenn 2/3 des "Volkes" parasitaer existieren, wird es schwierig, mit denen eine nicht-parasitaere, kreative Gemeinschaft entstehen zu lassen. Sahra Wagenknecht hat sich noch nie an der herstellung dessen beteiligt, was sie zum leben braucht. Wie soll sie nun sich daran beteiligen, eine tragfaehige Basis entstehen zu lassen?

Geld regiert die Welt?

Das stimmt zwar nicht, wenn wir genau hinsehen. Aber wenn ich deiner argumentation folge, dann bleibt tatsaechlich nur das uebrig. Weil in deinen ganzen erklaerungen immer nur von Geld-fluessen die rede ist. Aber tatsaechlich koennen wir mit Geld nichts anfangen, ausser andere arbeiten fuer uns, um uns etwas zu geben, was wir gebrauchen koennen. Deine argumentation ignoriert voellig den oekonomischen Unterbau, auf dem alles ruht.

Und was willst du mit dem Aktienbesitz anfangen? Wozu soll der anderes dienen als fuer den Raub? Wir haben ja ein einfaches und streng rationales Prinzip zur Auswahl: Kein privates Eigentum an gemeinschaflichen Ressourcen. Wenn wir das anwenden, ist der ganze parasitaere Ueberbau ausgetrocknet.

Mitschwimmen im Strom der Raeuber macht irgendwie keinen sinn. Der ganze politische Ueberbau existiert parasitaer und lebt nur von Geldmengen in Form bedrucktem Papier oder als Zahl im Computer. Da ist sonst nichts da.

Das Dorf

Ja, wenn wir nicht verstehen, wie menschliche gemeinschaften eigentlich existieren, koennen wir uns ueber so manches lustig machen und auf die kuenstlichen industriellen Kombinate zeigen oder auf die grossen Finanzsysteme, die quasi alles fuer uns machen.

Auf diesem niveau agieren all jene, die die Oekonomie nicht verstehen und denken, dass dafuer einfach Geld reicht. In ihrer konkreten Lebensweise mag das so sein. Nur beantwortet es damit nicht die frage, wie das Wasser in den Hahn kommt oder die elektrische Energie in die Steckdose oder die Lebensmittel in die regale so mancher Maerkte.

Wenn ich von Dorf spreche, dann meistens von lokalen Lebensgemeinschaften, die sich dadurch zu Communen entwickeln, dass sie ihre lokale Oekonomie entwickeln. Und dabei immer auf ein globales Netzwerk fuer freie Technologie verweise, das das Prinzip "global denken, lokal handeln" realisiert und dabei das Prinzip "Wissen ist immer Welterbe" anwendet. Dies, weil die Grundlage der Oekonomie immer die Gesetze der Natur sind und sie universal gelten.


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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

antwort von Tomas

Du schreibst:
"Der andere weg ist, die schroffen Extremas etwas abzuschwaechen, dass es zwar genauso weiter geht, aber etwas abgeschwaechter. Soweit ich das sehe, vertritt Sahra Wagenknecht und du diese Position. So verstehe ich auch, warum du so enttaeuscht bist."

Ich sei enttäuscht, weil SW und ich die gleiche Position verträte? Ich vertrete explizit nicht die Position, dass es genauso weitergehen möge.

Anders als du sehe ich die Lösung nicht in der Rückkehr zur geldlosen Tauschwirtschaft. Den entscheidenden Unterschied macht nicht das Geld an sich, sondern das Eigentum an den Produktionsmitteln, das zur einseitigen Akkumulation von Wert führt, der sich lediglich in Geld ausdrückt. Insofern "ignoriere" ich auch keineswegs "den ökonomischen Unterbau".

Das sagst du doch selbst: "Kein privates Eigentum an gemeinschaflichen Ressourcen." Wo ist da der Dissenz?

Du fragst, was ich mit den Aktien anfangen will? Aktien verbriefen Eigentum. Es wird belanglos, ob der Staat das Eigentum über Aktien wahrnimmt oder direkt. Im Falle von vergesellschafteten Eigentums werden sie jedenfalls funktionslos, was ihren eigentlichen Exstenzgrund anbelangt.

Was soll denn eine "Einheit von Produktion und Konsumtion", deren zerstörung, wenn sich "das Geld dazwischen schiebt", zu "parasitaerem Konsumententum" führe? So was Unlogisches habe ich ja noch selten gehört.
Danach ist also ein Rentner, der seine Altersrente in Geld bezieht und also nicht (mehr) Produzent ist, ein parasitärer Konsument, gelle?
OK, die Rente wird gestrichen. Der alte Sack kann dann ja in seiner dörflichen Gemeinschaft beim Becker und beim Bauern betteln gehen.

Irgendwie bin ich wohl zu dumm, wenn du mir nicht verständlich machen kannst, wie "menschliche gemeinschaften eigentlich existieren". Für mich hört sich das in der Tat alles an, wie heiße Luft.

Es macht überhaupt keinen Sinn, "kuenstlichen industriellen Kombinate" gegen eine "lokale Ökonomie" zu stellen.

Ökonomie kann teilweise lokal sein, ist aber im Zeitalter der arbeitsteiligen Produktion im wesentlichen überregional bis global.
Und der Strom kommt aus der Steckdose und das Wasser aus dem Hahn, weil genau das im Prinzip gut funktioniert, solange sich nicht irgendwelche Wegelagerer, nämlich sogenannte Kapitalisten, einmischen, weil man sie lässt.

Womit wir wieder bei Volkes Stimme sind, die sich bisher leider nicht gegen diesen so simpel zu erfassenden Mißstand erhebt.

Wie das kommt?
Da kommt leider ein ganzes Bündel nicht eben schmeichelhafter Eigenschaften der "Volksgemeinschaft" zum tragen, die von Naivität bis Skrupellosigkeit, von nicht wissen wollen bis zur täglichen Gehirnwäsche, von Bequemlichkeit bis zu Gier und Neid, von Dummheit bis Gerissenheit reichen.

Es hätte so einfach sein können, den Wegelagerern ihre Macht streitig zu machen. Die haben sie nämlich auch nur gestohlen.

Jetzt wird es von Tag zu Tag schwerer, weil dank Automation aller Systeme immer weniger bestochene Lakaien benötigt werden, um den Rest der Menschheit notfalls mit Gewalt zu beherrschen. Es braucht keine großen Armeen mehr, die für die Herrschenden immer auch die Gefahr massenhafter Befehlsverweigerung beinhaltete.

Das macht mir am meisten Sorgen. Es ist eins vor zwölf. Ich finde es unerträglich, sehenden Auges als Einzelner so wenig dagegen machen zu können, dass meinen und anderer Leute lieben Kindern eine solche Zukunft bevorsteht.

Es geht nur zusammen, es geht nur solidarisch.


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willi uebelherr
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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

meine 3. antwort an Tomas

Tomas Stropel, ich dank dir fuer deine muehe, diesen diskurs mit aufrecht zu erhalten. Weil das ist ja immer noch unser groesstes problem, dass bei fuer uns fast Eindeutigkeit des Wahnsinns die meisten menschen sich an Strohhalme klammern in der Hoffnung, es moege vorueber gehen.

Damit ruecken die Perspektiven und Visionen in den vordergrund. Oder die Frage: Wie wollen wir leben?

In unserer diskussion haeltst du noch an Konzepten fest, die das heutige geschehen geradezu determinieren. Ich sprach davon, dass das Geldsystem zwischen Produktion und Konsumtion geschoben wird. Eine Entkopplung von etwas, was eigentlich zusammen gehoert. Diese zwischenschicht nenne ich Distributionssystem, auch wenn sie tatsaechlich als virtuelle Ebene oben drueber schwebt. Das heisst nichts anderes als dass die Produktion mit der Konsumtion ueber dieses Distributionssytem vermittelt wird, was eigentlich voellig ueberfluessig ist.

Nur, wenn diese vermittlungsschicht wegfaellt, die ja notwendig ueber ein spekulativ bestimmtes geldsystem realisiert werden muss, dann gehen all jene leer aus, die sich nicht an der herstellung der materiellen Lebensgrundlagen beteiligen.

Das waere fuer uns gut, weil so der parasitaere ueberbau verschwindet und nicht durchgefuettert oder gemaestet werden muss. Wir koennen uns also dann auf jenes reduzieren, was wir brauchen. In der frage, was wir brauchen, koennen wir auch hoch tolerant sein, weil jene, die sich das ausdenken, auch dafuer etwas tun muessen.

"Aktien verbriefen Eigentum." Wozu eine solche konstruktion? Wenn wir etwas herstellen wollen, brauchen wir dafuer unsere technischen Infrastrukturen, um das auch tun zu koennen. Es ist also daran gebunden, was wir damit erreichen wollen.

Ich fasse ja Oekonomie, also das wirtschaften, als etwas auf, was zunaechst primaer von unseren Koerpern definiert wird. Er braucht wasser und nahrung als bau- und energie-material und transportsytem. Und er braucht eine thermische und schuetzende huelle. Die erste, die bekleidung, die zweite, die geschuetzen raeume in haeusern. Und das gilt fuer die ganze Menschheit und zum teil fuer die ganze Tierfamilie. Also so neu ist das nicht.

Ich lege grossen wert darauf, dass wir uns nicht mit unseren kopfgeburten zu sehr in die enge treiben lassen und uns mehr unseren natuerlichen Existenzbedingungen zuwenden.

"Ökonomie kann teilweise lokal sein, ist aber im Zeitalter der arbeitsteiligen Produktion im wesentlichen überregional bis global."

Was treibt dich zu dieser aussage? Meinst du, dass die auslagerungen von herstellungsorten notwendig sind? Meinst du, dass globale Lieferketten notwendig sind? Ich vermisse deinen kritischen geist in dieser aussage.

Oder anders gefragt? Ist Export notwendig? Ich behaupte, dass Export nur dann notwendig ist, wenn Import notwendig wird. Dass also Import und Export sich immer die wagge halten muessen. Und dass diese balance nicht ueber beliebigst verrechnete regionen verteilt wird, sondern immer mit jeder region direkt stattfinden muss. Eine grundvorraussetzung fuer globale kooperation.

Aber den Zwang zum Import haben wir selbst in der hand. Und so geht es allen in den verschiedensten regionen auf unserem Planeten. Die frage stellt sich dann nur, auf welcher Abstraktionsebene der austausch vermittelt wird. Hier laege ja nahe, die aufgebrachte Zeit dafuer zu verwenden. Dies wuerde dem Gleichwertigkeits-Prinzip aller Menschn dann entsprechen.

"Womit wir wieder bei Volkes Stimme sind, die sich bisher leider nicht gegen diesen so simpel zu erfassenden Mißstand erhebt."

Wie soll sie das tun, wenn sie keine alternativen sieht? Das geht doch gar nicht. Wenn wir alternativen haben, koennen wir waehlen. Ohne? Konnte die PdL (Partei Die Linke) jemals eine alternative vorlegen? In den entscheidensten fragen brechen sie alle ein. Es bleibt also beim Alten, egal, wen sie waehlen. Und als Unmutsaeusserung ist es ja voellig sinnentleert, egal, wen sie waehlen. Also bleiben sie dort, wo sie schon immer waren.

Ja, vielleicht ist der "so simpel zu erfassende Mißstand" nur dann als solcher zu erfassen, wenn wir ihn sehen. Das Corona-Panik-Theater zeigt uns doch selbst in unseren kreisen, wie schwer sich menschen tun, das so einfache und simple anzunehmen und sich nicht taeuschen zu lassen.

Und wenn es um die privaten Geld- und Finanz-Systeme geht, wird es noch viel schlimmer. Und wenn es dann um sinnlose militaerische und paramilitaerische apparate geht, noch mehr. Aber am schlimmsten sieht es um den oekonomischen Unterbau aus. Da existieren ja nur noch kopfgeburtige Nebelwolken.

Konnen wir den vielen anderen etwas vorhalten, was uns eigentlich selbst betrifft?


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willi uebelherr
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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

antwort von Tomas

Da sich der Diskurs jetzt im Kreis dreht, werde ich ihn nach dieem Kommentar nicht mehr länger aufrecht erhalten.

Nochmal:
Nicht das Geld als solches ist das Übel, sondern die Werte-Akkumulation, deren Formen eine das Geld ist, neben Eigentum an anderen Gegenständen, die man anhäufen kann.

Auch im Sozialismus wird es Geld geben, aber Werte und damit auch Geld werden nicht mehr privat akkumuliert.

Zu Aktien:
Wer lesen kann, ist klar im Vorteil: Ich schrieb bereits, dass die spezifische Funktion von Aktien für vergesellschaftetes Eigentum entfällt. Es wird belanglos, ob und wie es verbrieft wird.

Dein lokales Wirtschaftskonzept ist in ökonomischer Hinsicht lächerlich. Es geht nicht ohne Warenverkehr über größere Strecken.

Was in einer sozialistischen Welt prinzipiell entfällt ist Warenverkehr, der durch unterschiedliche Kosten für den Rohstoff Arbeit, sprich ungleiche Löhne hervorgerufen wird, wie jetzt etwa durch Billiglöhne in Indien, China etc.

Was bleibt, weil es sinnvoll ist, ist z.B.

- Warenverkehr wegen global ungleich verteilter Rohstoffe: Öl, Gas, Eisen, Getreide, Südfrüchte, Holz, Meeresfrüchte, natürlicher Energie, wie Geothermie in Neuseeland, mit der umweltschonend Alu hergestellt werden kann, und was weiß ich noch alles, sowie

- aus Gründen der Arbeitsproduktivität, weil es schlicht effizienter ist und damit im Interesse der Allgemeinheit liegt, z.B.

- wenn Arbeitsteilung sinnvoll,
- wenn bestimmte Produktionsstandorte geografisch zweckmäßig sind
- wenn industrielle Massenfertigung in Großbetrieben unter geringerem Einsatz von Arbeit und Umweltressourcen realisiert werden kann etc.

Das geht nunmal nicht in jedem Dorf, nichtmal in jedem Land, u.U. nicht mal auf demselben Kontinent.

Was die Alternativen anbelangt: Auch da drehen wir uns im Kreis. Dass diese nicht gesehen werden, ist Teil des Problems, wie ich ja auch bereits geschrieben hatte: Stichwort Gehirnwäsche etc.

Vorhanden sind die Alternativen schon seit langem. Jeder kann sich vorstellen, dass eine gerechte Welt ohne Wegelagerer eine bessere wäre, nur dass sie dank Gehirnwäsche nicht für realisierbar gehalten wird.

Da stellst du mit der Linkpartei nun ausgerechnet die Falschen an den Pranger, aber das gehört ja bekanntlich zu deiner subversiven politischen Strategie, mit der du dich immer mal wieder entlarvst. Du tust fortschrittlich und bist in Wahrheit ein Zersetzer, wie ich schon an anderen Stellen gelegentlich dokumentiert habe.

Auch für Linke gilt der Satz der Soziologie, dass man die Menschen da abholen muss, wo sie stehen, und nicht da, wo man sie gerne hätte.
Klartext: Die Linke -und damit meine ich nicht nur die Linkspartei- hatte immer schon und hat noch immer mit der Indoktrination des Antikommunismus zu kämpfen, mit der Diskreditierung des Sozialismus durch die allgegenwärtige Gehirnwäsche der Herrschenden mit ihren Medien für den Klassenkampf von oben.

Also stelle gefälligst die Herrschenden an den Pranger und mach´die Linkspartei und ihre zahlreichen aktiv kämpfenden Mitglieder nicht unisono gerade an diesem Punkt vom Opfer zum Tätern.
Um das auch noch gleich klarzustellen:Setze sie nicht mit ihrem teilweise machtgeilen Führungspersonal auf die gleiche Stufe. Im übrigen finden sich auch in ihrer Führung noch diverse aufrecht kämpfende Sozialisten und Kommunisten, vor denen ich großen Respekt habe.
Die labern nicht nur rum, sondern tun auch was.

Das ist jetzt meinerseits das Ende der Ansage.
Du darfst dir gerne das letzte Wort nehmen.


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willi uebelherr
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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

meine 4. antwort an Tomas

"Da sich der Diskurs jetzt im Kreis dreht, werde ich ihn nach dieem Kommentar nicht mehr länger aufrecht erhalten."

Gut, Tomas Strobel, einverstanden. Ich war schon etwas erstaunt, dass du dich auf dieses feld gewagt hast. Und so kommt deine Basis zum vorschein:

"Nicht das Geld als solches ist das Übel, sondern die Werte-Akkumulation, deren Formen eine das Geld ist, neben Eigentum an anderen Gegenständen, die man anhäufen kann."

Eigentum ist immer mit Gewaltapparaten organisiertes Konstrukt. Mit Aktien oder sonstigen Papierzetteln ist natuerlich etwas anderes wie das erklaerte Eigentum an Land und den darauf stehenden gebaeuden. Generell gilt, dass beide Arten von Eigentum nur ueber die staatlichen Apparate gesichert werden koennen.

Geldsysteme sind etwas ganz anderes, weil sie im Fluss der Austauschverhaeltnisse wirken und ihr Wert-Abstraktum nur spekulativ bestimmt ist. Das bedeutet, in allen Austausch-Prozessen, an denen wir uns beteiligen, sind wir diesem System, was ich Distributionssytem nenne, ausgeliefert. Nur so ist zu erklaeren, warum heute menschen 40++ stunden/woche arbeiten muessen, um von den Loehnen sich dann ihre Lebensmittel kaufen zu koennen, obwohl gemaess der Produktivkraft-Entwicklung 10-- stunden/woche voellig ausreichend waeren.

Wenn wir von den Kapitalakteuren aus das betrachten, dann ist es ihre private Kapital-Akkumulation. Wenn wir es von den Werktaetigen aus betrachten, dann erbringen sie die hauptleistung fuer Schmarotzer und Parasiten und koennen sich eigentlich nur noch schaemen, so einen Schwachsinn mitzumachen.

Kapitalismus ohne private Geld- und Finanz-Systeme geht nicht.


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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

Liebe freunde,

damit ist dieser diskurs erstmal beendet. Was deutlich wird fuer mich ist diese unglaubliche Naivitaet im Umgang mit gesellschaftlichen Systemen und deren Grundlagen. Dass so kein "Aufstehen" moeglich ist und niemals initiiert werden kann, liegt eigentlich auf der Hand.

Ob dieser Diskurs hier im DebattenRaum aufgegriffen werden kann, weiss ich nicht. Vielleicht sind die ehemaligen "Aufsteher" auch nicht mehr bereit, sich mit den diskursen aus diesem umfeld zu beschaeftigen.

Nur, die fragen die da aufgeworfen wurden, stehen auch hier im Raum. Wir koennen uns ihnen nicht entziehen. Das war auch der grund, warum ich diesen Themenkomplex "Aufklaerung, Kommunikation .." hier im forum dafuer verwendete.

mit lieben gruessen, willi
Asuncion, Paraguay
Zuletzt geändert von willi uebelherr am 25.05.2020, 20:04, insgesamt 1-mal geändert.


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Re: Tomas Strobel: Sahra Wagenknecht, quo vadis?

Beitrag von willi uebelherr »

antwort von Tomas

Du bringst es auf den Punkt, nur auf den falschen mit deiner undifferenzierten Verteufelung von Geld.
Schau mal, der richtige Punkt ist doch eigentlich so einfach, sozusagen das 1x1 der Jungen Pioniere:

1. Kapitalismus = private Wertakkumulation durch privates Eigentum an Produktionsmitteln und Rohstoffen, Mittel zum Zweck: u.a.: Geld, weil man es anhäufen kann.

2. Sozialismus = keine private Wertakkumulation, Volkseigentum an Produktionsmitteln und Rohstoffen, nur noch Privateigentum an Dingen des persönlichen Bedarfs, Geld, weil es noch als gesellschaftlich vereinbartes Tauschäquivalent dafür nötig ist.

3. Kommunismus = Niemand braucht mehr Eigentum, wodurch Geld als Tauschmittel überflüssig wird und im Museum der Menschheitsgeschichte landet.
Die Menschheit ist eine große Familie, in der die Menschen ihre (wirklichen) Bedürfnisse befriedigen können, die dann viel weniger materieller Natur sein werden, und es ihnen gleichzeitig ein Bedürfnis (der Liebe) ist, sich zu beschränken auf das für alle und für die Natur zuträgliche Maß.

So, und nun mal hübsch eins nach dem anderen, weg von deiner destruktiven Strategie, das Gute des machbaren und notwendigen ersten Schritts mit dem Besseren der Utopie zu erschlagen, der man sich doch ohnehin nur über den ersten und folgende Schritte annähern kann.
Damit, Willibus destruktivus, lockst du die Hoffenden und Träumenden gezielt in die Falle einer "lokalen", kleinbürgerlichen Idylle des Dorfkommunismus, ein Ablenkungsmanöver, über das sich die Mächtigen und Superreichen kaputtlachen.

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